Mit der Flat-Rate des 49-Euro-Tickets werde die Mobilitätswende nicht erreicht, meint Rüdiger Sterzenbach. Ein solcher Preisdeckel verschlechtere das Angebot und sei zudem sozialpolitisch unausgewogen. Um mehr Kunden im ÖPNV zu gewinnen, sei vielmehr eine direkte finanzielle Förderung von Personen hilfreich.

Drei Fakten zum Einstieg: Der Verkehrssektor hat eine sehr schlechte Klimabilanz. Dem Bundesverkehrsministerium steht Volker Wissing vor. Ausbau und Stärkung des Öffentlichen Nahverkehrs werden als unabdingbar für die zum Schutz der Umwelt notwendige „Verkehrswende“ angesehen.

Es ist ein unumstößlicher Fakt sowohl älterer als auch jüngerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen – auch im Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket belegt –, dass für Berufspendler bei der Wahl eines Verkehrsmittels neben der Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und dem Beförderungskomfort insbesondere die Gesamtreisezeit, somit die für die Beförderung von Haustür zu Haustür aufgewendete Zeit, von Bedeutung ist.

Die Qualität des ÖPNV-Angebots ist entscheidend, nicht der Preis

Der Preis ist hingegen in der Regel bei Dauernutzern und Berufspendlern kein bestimmendes Kriterium und Treiber für die Wahl eines Beförderungsmittels. Der Preis und die Komplexität des Tarifsystems werden grundsätzlich nicht an vorderster Stelle der Gründe genannt, die Menschen zur Nutzung von Autos veranlassen. Es ist zu befürchten, dass die für das 49-Euro-Ticket verantwortliche Politik so stark unter dem Einfluss von Lobbyisten steht, dass Milliarden von Steuergeldern nicht zweckmäßig und nicht mit dem höchsten Zielerreichungsgrad für die notwendige Mobilitätswende verwendet werden. Begleitet wird das Ganze von großen Pressekampagnen der Lobbyisten und Besitzstandswahrer, die sich gegenseitig öffentlich über den grünen Klee loben.

Bereits beim 9-Euro-Ticket bedurfte es keines 2,5 Milliarden Euro teuren „Experiments“ (so der Bundesverkehrsminister), um zu der nicht nur unter Verkehrsexperten schon immer feststehenden „banalen“ Erkenntnis zu gelangen: Will man PKW-Fahrer zum dauerhaften Umstieg auf den klimafreundlichen ÖPNV bewegen, bedarf es zuallererst einer nachhaltigen und umfassenden Verbesserung der Angebotsqualität mit dem Fokus zur Schaffung eines kundengerechten flächendeckenden Angebotes. Besonders für den ländlichen Bereich mit seinem sehr hohen PKW-Pendler-Anteil heißt dies in vielen Fällen zuerst einmal überhaupt eine Infrastruktur mit einem ÖPNV-Netz aufzubauen, damit ein flächendeckendes Angebot durch den öffentlichen Verkehr geschaffen werden kann und Sachzwänge für die Benutzung des PKW somit zumindest gemindert werden. Gerade in Flächenstaaten mit großen, eher dünn besiedelten Gebieten lässt sich an der Kompetenz in Mobilitätsfragen zweifeln, wenn von interessierter Seite die Einführung des 49 € Tickets sogar als „Revolution“ bezeichnet wird. Verwundert reibt man sich vor dem geschilderten Hintergrund die Augen, wenn eine Ministerin zudem ausführt, mit dem 49-Euro-Ticket werde es für viele einfacher und günstiger werden, auf dem Land zu wohnen.

Kurzum, für eine Mobilitätswende wäre es erforderlich, die wahren Ursachen für die Ablehnung von Bus und Bahn anzugehen. Es fehlten bisher jedoch insbesondere politische Entscheidungsträger mit strategischer Weitsicht, die sich auch nicht durch die mediale Offensive der Lobbyisten, Besitzstandswahrer und Verhinderer der Mobilitätswende beeinflussen lassen. Nicht nur überspitzt lassen sich diejenigen eigennutzorientierten Akteure, die für die Verschwendung der für die Mobilitätswende erforderlichen Mittel verantwortlich sind, als „Klimasünder“ bezeichnen.

Das 9-Euro-Ticket wurde oft verkauft – und von vielen selten genutzt

Eher politisch unanständig wurde die Diskussion um das 9-Euro- und das 49-Euro-Ticket spätestens ab dem Zeitpunkt, als die Flatrate mit dem Etikett „Umwelt-“ und/oder „Klimaticket“ fake-artig versehen wurde. Es ist deutlich zu machen und darzustellen, dass die Protagonisten dieser Vorgehensweise und Nutznießer dieser Politik auch aus Eigeninteresse und mit großem Schaden für die Umwelt agieren.

Verwundert reibt man sich die Augen, wenn nun zunehmend führende Vertreter der Flatrate-Politik, nach der „Tarifoffensive eine Angebotsoffensive“ insbesondere im ländlichen Raum fordern. Diese Vorgehenswese legt den begründeten Verdacht nahe, dass man sich – wenn auch spät – der offenkundigen öffentlichen Erkenntnis nicht widersetzen konnte, dass beim Bau eines Hauses fälschlicherweise zuerst mit dem Bau des Daches begonnen wurde. Nun soll wieder der Steuerbürger im Nachhinein die finanzielle Grundlage für den Bau des Fundaments schaffen. Zudem ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass beim „Klimaticket“ einzig beim Preis angesetzt wurde, um Mängel im Angebot und der Qualität zu kaschieren.

Wer im ÖPNV Verantwortung trägt und in der Regel dafür auch gut bezahlt wird, hätte unabdingbar wissen und dann auch ehrlicherweise kommunizieren müssen: Das 9 Euro Ticket ist zwar „unglaublich oft“ verkauft worden, aber viele haben es eben selten genutzt und dann überwiegend im Freizeitverkehr. Das Ticket ist im ländlichen Raum ein Ladenhüter und führt mangels kundengerechten Angebots nicht zu einer Änderung, nicht zu einem klimagerechteren Mobilitätsverhalten. Das 49-Euro-Ticket hingegen kommt den Nutzern eher in Zentren zugute, in denen auch heute schon das Mobilitätsverhalten eher ÖPNV-affin ist.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Weder das 9-Euro-Ticket noch das 49-Euro-Ticket ist „wie die Entdeckung Amerikas“, das „Deutschlandticket“ ist kein Meilenstein der Mobilität. Das Bejubeln der hohen Zahl an Abos für das 49-Euro-Ticket lenkt von den wahren Ursachen für eine verfehlte und klimaschädliche ÖPNV-Politik ab. Sicherlich wurden durch das 9-Euro-Ticket einige neue Kunden hinzugewonnen, gleiches gilt für das 49-Euro-Ticket, insgesamt kam es jedoch zu keiner nennenswerten Verkehrsverlagerung, und eine solche ist auch nicht zu erwarten. Die durch die Flatrates verschwendeten Steuermittel fehlen bei der Substanzerhaltung und dem Ausbau des ÖPNV. Das 49-Euro-Ticket ist zudem keine Tarifrevolution. Es findet eine Fragmentierung des Deutschlandtickets in Form z.B. einer Rabattschlacht, Zusatztickets und Sondertarifen statt. Man könnte dies auch als Machtdemonstration der Besitzstandswahrer auf der dezentralen Ebene ansehen.

Für die Mobilitätswende muss der ÖPNV grundsaniert werden

Am Beispiel ÖPNV zeigt sich, dass die Politik weiterhin verkrustete und nicht mehr zeitgemäße Strukturen konserviert und dabei große ordnungspolitische Defizite offenbart. Das Beispiel der im größeren Einfluss der Politik stehenden kommunalen Unternehmen, der DB AG und der geschaffenen Fürstentümer „Verkehrsverbünde“ belegt zudem, dass die Politik über keine unternehmerischen Fähigkeiten verfügt, höhere Subventionen nicht zu besseren Ergebnissen und zur Stärkung der notwendigen Mobilitätswende führen und Produktivkräfte vergeudet werden. Schaut man genauer hin, geht es nicht selten eher um einen handfesten Machterhalt nicht nur z.B. regionaler Anbieter, sondern auch handelnder Personen. Kurzum: Der ÖPNV hat schon lange grundlegende ungelöste Strukturprobleme die eine Mobilitätswende behindern und für die Mobilitätswende dringend benötigte Gelder vernichten. Es bedarf einer Grundsanierung und ein radikal der heutigen Zeit und ihren Anforderungen an eine Umweltentlastung entsprechendes neues Denken, soll die Mobilitätswende so schnell wie möglich und nachhaltig gelingen. Die heutige, aus dem frühen vorigen Jahrhundert stammende „ÖPNV-Ordnung“ hat eine bisher nicht gehobene sehr große Produktivitätsreserve. Dies sollte man bedenken, bevor man sich auf den Weg macht, zum Ausbau des Angebotes dem Steuerbürger weiterhin in die Tasche zu greifen, zudem darüber nachdenkt, z. B. auch Unternehmen oder Grundstückseigentümer als sogenannte „Drittnutzer“ zur Finanzierung des ÖPNV heranzuziehen. Die den heutigen ÖPNV beherrschenden Akteure haben vielfach vergessen, in erster Linie Diener im Interesse der Kunden und nicht Bediener der eigenen Interessen zu sein.

Der Schutz vor Wettbewerb und das „Hineinregieren“ durch die Politik sowie die institutionellen als auch die persönlichen „Verflechtungen“ mit der Politik, sind im ÖPNV die großen Hindernisse auf dem Weg zur notwendigen Mobilitätswende. Die Probleme der Mobilitätswende sind nur in einem Paradigmenwechsel mit grundlegenden Schritten und tiefgehenden Reformen mit einer größeren Hinwendung zum Wettbewerb zu lösen. Der durch staatliche Regulierungen mit seinen vorherrschenden kommunalen Betrieben, Staatsmonopolen und Fürstentümern „Verkehrsverbund“ kleinteilige, verkrustete, monopolisierte und in seiner Innovationsdynamik behinderte ÖPNV bedarf als Voraussetzung für die Mobilitätswende der Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft als Innovationsmaschine mit dem Wettbewerb als Funktionsprinzip. Dem Bundesverkehrsminister ist zuzustimmen, wenn er „kleinteilige Strukturen“ im ÖPNV aufbrechen will, sofern er damit auch die wettbewerbsverhindernden Partikularinteressen meinen sollte.

Mehr Wettbewerb – und mehr Entscheider mit Blick für’s Gemeinwohl

Erforderlich ist, dass die eigene Ambitionslosigkeit nicht mehr mit immer mehr Subventionen kaschiert wird und es bedarf der politischen Kraft und des politischen Willens, sich vom Minimalkonsens und ideologischen Traditionen aus Zeiten des frühen vorherigen Jahrhunderts zu verabschieden und Blockadehaltungen zu durchbrechen. Wir brauchen auch im ÖPNV mehr politische Entscheider, die den Mut haben ausschließlich in Kategorien zu denken, die insbesondere das Gemeinwohl und die individuelle und damit auch unternehmerische Freiheit – auf Basis der Sozialen Marktwirtschaft – und nicht ihr persönliches Interesse an die Spitze der Grundsätze ihres Handelns stellen. Der künstlichen Bewahrung von Strukturen zum persönlichen Vorteil durch z.B. einen Erhalt überkommener Strukturen ist ein Ende zu setzen. Es gibt keine belastbare Rechtfertigung – es sei denn z.B. die „Versorgung“ von Politikern in dotierten Gremien wird als solche angesehen – , warum z.B. ein kommunaler ÖPNV-Betrieb und dessen Mitarbeiter von einem wettwerbewerblichen Verfahren „befreit“ sind, während private Unternehmen mit ihren Mitarbeitern bei vergleichbarer Leistung sich dem Wettbewerb stellen müssen. Der Staat darf nicht mehr für Einzelinteressen vereinnahmt werden.

Zusammenfassend und in aller Deutlichkeit: Wettbewerb nicht nur in Sonntagsreden zu predigen, sondern auch in der Praxis herbei zu führen, heißt nichts anderes als die Machtfrage zu stellen, Zäune um Besitzstände einzureißen, hinter denen sich die Profiteure des Systems zu Lasten der Allgemeinheit eingerichtet haben, selbst wenn man sich damit dem Feuer der bezahlten Beifallsklatscher und Lobbyisten aussetzt. Hören wir auf, auf das Quaken der Frösche zu hören, wenn ein Sumpf trocken gelegt werden soll. Geben wir die Mittel zur Förderung des ÖPNV nicht in die Hände von denen, die „Tempel“ bauen, immer mehr Organisationen schaffen, und die immer wieder Fragen klären, die mit einem Bruchteil des Aufwandes geklärt werden könnten. Schlicht und einfach: Wer heute noch z.B.in dem Vorhalten Dutzender Türschließvarianten und dem schnellen Umsetzen der von den Herstellern angebotenen technischen „Raffinessen“ und Ausstattungsmerkmale der Fahrzeuge, immer auch Marketingmaßnahmen zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse sieht, hat in der Tat den Zug der Zeit verpasst.

Anreize zur Gewinnung von Kunden sind nötig

Marketing stellt nicht primär auf technische Spielereien, sondern auf einen grundlegenden Wandel in der Unternehmensführung, von der früher vorherrschenden Produktionsorientierung hin zur heute notwendigen Marktorientierung, ab. Nur in den Anfängen des Marketings bis Anfang der achtziger Jahre stand das Produkt im Mittelpunkt des Marketings und nicht der Kunde. Ein zunehmend intensiverer Wettbewerb, und damit einhergehend der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt, brachte die Notwendigkeit mit sich, Kunden zu gewinnen und Kundenbeziehungen zu sichern. Dies gilt insbesondere in Märkten, auf denen der Staat Sonderstellungen einzelner Anbieter (z. B. in der Vergangenheit Telekom und Stromversorgung) beseitigt hat. Solange im ÖPNV dieser Wandel im Marktverständnis durch Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht vollzogen wird, kann es zu keiner erfolgreichen Mobilitätswende kommen. Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich: Solange dabei der staatliche Ausgleich von Kosten als Bezugsgröße, anstelle eines Anreizsystems zur Belohnung von Kundengewinnung und Sicherung von Kundenbeziehungen, gilt, befinden wir uns auf einem Irrweg, der uns von der Mobilitätswende immer weiter wegführt.

Es stellt sich vor diesem Hintergrund nicht erst jetzt die grundsätzliche Frage: Können die jetzigen verkehrlichen Akteure – einschließlich der politischen Entscheider – überhaupt Klimapolitik, ja wollen sie überhaupt Klimapolitik? Ist das als Monstranz vorgetragene Schild „Klimapolitik“ schlichtweg nur ein Mittel, um im bestehenden System der Fehlanreize noch tiefer in den Topf der Subventionen greifen zu können? Somit handelt es sich um versteckte klimaschädliche Subventionen, da diese vielfältig und oft nahezu ausschließlich an Kosten als Bezugsgröße und nicht gebunden an einen positiven Beitrag zum Klimawandel gezahlt werden. Offenbar wollen die Akteure in staatlichen Organisationen weiterhin mit allen Mitteln verhindern, dass sie Dienstleister werden und nicht mehr dirigistische Herrscher sind.

Neben der ökologischen Bewertung des 9- und des 49-Euro-Tickets, gilt es diese auch als Teil der Sozialpolitik der Bundesregierung zu betrachten. Hier sollte der Auffassung einer Wirtschaftsweisen große Beachtung geschenkt werden, die im Zusammenhang mit der Forderung nach einer bundesweiten niedrigen ÖPNV Flatrate auf folgenden Tatbestand hinwies: „mit einem Angebot für alle, auch die Zahlungskräftigen, reduziert man nur den finanziellen Spielraum, ohne dass man große Effekte erzielen dürfte“. Es bleibt hieraus die klare Erkenntnis, dass das 9 Euro Ticket und die Nachfolgeregelung in der vorliegenden Form sozial unausgewogen sind, indem sie sowohl „Reiche als auch Arme“ in gleichem Umfang begünstigen. Damit wird nicht das zuvorderst angestrebte Ziel einer sozial gerechten Entlastung der durch die Inflation belasteten Bevölkerung erreicht. Die Diskrepanz zwischen „Arm und Reich“ wird verstärkt und damit ein möglicher gesellschaftlicher Sprengsatz nicht beseitigt. Soll das Vertrauen in die Politik nicht noch weiter beeinträchtigt werden, bedarf es gerade auch in der Sozialpolitik eines politischen Handelns, das systematisch, rechtzeitig, nachhaltig und zielgerichtet sozial gerecht ist. Einzelmaßnahmen nach Gießkannen Art – wie die Flatrates -, mit einer höchstens kurzfristigen, geringen, aber extrem teuren und sozial unausgewogenen Wirkung, dürfen aus sozialpolitischen Gesichtspunkte keine Wiederholung finden.

Preisdeckel verschlechtern die Qualität des Angebots und sind sozial unausgewogen

Es gehört zu den Standarderkenntnissen der Wirtschaftswissenschaften, dass ein gut funktionierender Preismechanismus eine der wesentlichen Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft ist. Es sollte auch im ÖPNV zu den Erkenntnissen gehören – und dies lehrt die Geschichte –, dass eine sozialpolitische Umverteilung mittels Preisdeckel oder Preisuntergrenzen noch nie auf Dauer einen sozialpolitischen Umverteilungserfolg hatte. Preisdeckel z.B. erfreuen sich großer Beliebtheit, sind sie in der Regel doch als „Geschenk“ wahrnehmbar. Bei näherer Betrachtung ist jedoch festzustellen, dass entweder der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, oder sofern die Unternehmer aus den Steuermitteln keinen Ausgleich erhalten, es zu einer dauerhaften Verschlechterung der Qualität des Angebotes und/oder dessen genereller Reduktion kommt.

Damit Verlagerungs- und Mobilitätsziele und gleichzeitig sozialpolitische Umverteilungsziele mit wesentlich geringerem Mitteleinsatz erreicht und der Dschungel an nicht mehr übersehbaren und unkoordinierten Finanztransfers zu Lasten der Steuerzahler im ÖPNV gelichtet, der vielfach bisher ausschließlich gegebenen Kosten- und nicht Nachfrageorientierung der Fördermittel ein Ende bereitet wird, bedarf es der Hinwendung zum „König Kunde“. Anstelle der sogenannten Objektförderung sind dem Kunden – mit Differenzierung auch nach Bedürftigkeit – in einer sogenannten Subjektförderung direkt die finanziellen Mittel zum Kauf von Fahrscheinen zukommen zu lassen. Eine derartige Vorgehensweise ist effizient, sozialpolitisch treffsicher, transparent und bringt endlich auch eine Steuerung des Angebotes durch die Kunden und nicht z.B. durch praxisferne Planer mit sich. Beispiele aus der Praxis, wie zum Beispiel Gutscheine für Schüler, zeigen exemplarisch die Machbarkeit der grundlegenden Reform mit vielen denkbaren Ausgestaltungsmöglichkeiten der Gutscheine. Natürlich ist ein derartig denkbarer umwelt- und sozialpolitisch gerechterer und auf den Kunden effizienter ausgerichteter Mitteleinsatz nur im Kontext des zuvor aufgezeigten Reformbedarfs mit der Schaffung wettbewerblicher Rahmenbedingungen machbar.

Dem Bedürfnis des Königs Kunde nach einem einfachen und flexiblen, den Tarifdschungel lichtenden Ticket, bei gleichzeitiger Implementierung eines funktionierenden Preismechanismus, insbesondere auch zur Vermeidung von Verschwendung, lässt sich auf vorstehender Basis einfach entsprechen. Wie es in anderen Wirtschaftsbereichen – und auch in vielen Bereichen der Mobilität heute schon möglich ist –, bedarf es einer deutschlandweit geltenden Plattform aller Mobilitätsanbieter, die für den Kunden Einzelpreise für die jeweilig gewünschten Fahrtstrecken zu einem Gesamtpreis summiert und den Kauf eines Tickets zu diesem Preis ermöglicht. Der Fahrgast hat nunmehr als König Kunde z.B. die Möglichkeit zwischen Mobilitätsanbietern mit qualitativ unterschiedlichem Angebot, mit unterschiedlichen Preisen auf alternativen Streckenführungen zu entscheiden. Er hat vom Staat als Nutzer und Souverän durch die Subjektförderung die finanzielle Ausstattung erhalten, das für ihn als König Kunde nachfragegerechteste Angebot zu einem von ihm akzeptierten und seinen Wünschen entsprechenden Endpreis auszusuchen.

Zum Schluss und besonders wichtig: Im öffentlichen Nahverkehr arbeiten hervorragend ausgebildete und hoch motivierte Menschen, deren Arbeit nicht hoch genug geschätzt werden kann. Es hieße jedoch die Realität auszublenden, wenn man nicht auch zur Kenntnis nähme, dass die Entscheidungsträger im ÖPNV – mit der gleichen Zielstrebigkeit wie in der Wirtschaft insgesamt – ihre persönlichen Ziele verwirklichen wollen. Unter den Rahmenbedingungen einer falsch gesetzten Anreizstruktur führt jedoch die „individuelle Rationalität“ zur „kollektiven Irrationalität“. Es liegt an den politischen Akteuren, den Ordnungsrahmen im Sinne einer nachhaltigen, klimafreundlichen und sozialpolitisch wirksamen Mobilitätspolitik neu zu gestalten.

Prof. Dr. Rüdiger Sterzenbach ist Wirtschafts- und Verkehrswissenschaftler, Sportfunktionär und Politiker. Er war Professor für Economics and Economics and Management of Passenger Transport an der Hochschule Heilbronn, Präsident des Landessportbundes Rheinland-Pfalz sowie Vorsitzender der Sporthilfe Rheinland-Pfalz/Saarland und wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU Rheinland-Pfalz.

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