Eine Redakteurin der „taz“ verunglimpft Ludwig Erhard und sein Verdienst für Deutschland. Der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung Roland Tichy widerspricht.

War Ludwig Erhard ein Nazi? Müssen Straßen und Schulen umbenannt, seine Büste aus dem Wirtschaftsministerium entfernt werden? Während landauf, landab 70-jährige Nachkriegsjubiläen als Gründungsdatum von irgendetwas gefeiert werden, soll es jetzt dem Mann an den Kragen gehen, der als Wirtschaftsreformer, Wirtschaftsminister und später als Bundeskanzler wesentlichen, sogar sehr wesentlichen Anteil daran hatte, dass Deutschland wohlhabend werden und sowohl demokratisch als auch sozial wachsen konnte.

Aber Deutschland macht es seinen Helden schwer. Sie müssen gestürzt, enttarnt, die Erinnerung an sie getilgt werden. Jetzt also wieder Ludwig Erhard. Diesmal von einer Redakteurin der links-grünen „taz“, einer Zeitung mit bislang nicht nachgewiesener Wirtschaftskompetenz (Ein Profiteur der Nazis, 23. September 2019). Ludwig Erhard habe den Nazis nahe gestanden, sei im völkischen Denken verhaftet gewesen und im Übrigen ein Versager auf der ganzen Linie: Das Wirtschaftswachstum kam ganz von allein – ein Geschenk des Himmels, das seltsamerweise nur auf der westdeutschen Seite der Mauer herab regnete, nicht auf der östlichen.

Historische Sekunde des Möglichen

Historiker geben Entwarnung. Sie weisen darauf hin, dass sich die Autorin auf längst widerlegte Uralt-Biographien stützt und dass die dort dokumentierten Fakten auf eigenartige Weise zurecht gebürstet würden. Der an der London School of Economics and Political Science lehrende Wirtschaftshistoriker Albrecht Ritschl – ein Mann, der seinerseits streng und oft genug negativ über Erhard urteilt – äußert sich hierzu: „Hat Erhard für NS-Stellen gearbeitet? Ja. Hat er sich dabei ideologisch hervorgetan? Die Forschung hat eher den gegenteiligen Eindruck gewonnen.“

Tatsächlich war Erhard weder Inhaber eines Amts oder Lehrstuhls in der NS-Zeit, noch war er Mitglied der NSDAP oder einer ihrer vielen Unterorganisationen, mit der die Zivilgesellschaft gleichgeschaltet wurde. Leben musste er trotzdem in jenem verbliebenen Schattenreich, in dem es das Richtige im Falschen nicht uneingeschränkt geben kann. Von Beruf Volkswirt schrieb Erhard Gutachten und bemühte sich im Rahmen des noch Möglichen auch um die wirtschaftliche Besserstellung im besetzten Polen.

Sein entscheidendes Werk: In seiner im Krieg verfassten Denkschrift über die Beseitigung des Schuldenüberhangs nach einem verlorenen Krieg skizzierte Erhard einen Schuldenschnitt im Zuge einer Währungsreform. Die von der amerikanischen Regierung beauftragten Experten kannten diesen Plan und beauftragten Erhard 1948 mit der Durchführung. Er verknüpfte die Währungsreform, zu der er beauftragt war, in einer historischen Sekunde des Möglichen mit der Preisfreigabe. Gutes Geld und Marktwirtschaft bewirkten das, was dann als „Wirtschaftswunder“ erlebt wurde.

Freiheit und Verantwortung – und Wohlstand für Alle

Erhard wollte von einem Wunder nichts wissen – für ihn war es die Konsequenz der richtigen Weichenstellung. So viel Bescheidenheit wäre heute Politikern jeder Partei fremd, die anderer Menschen Erfolge gern als die eigenen ausgeben. Warum also jetzt die Attacke gegen jedes bessere und historisch gesicherte Wissen? Nur die Freude am Klang zerdepperter Denkmäler?

Es ist mehr. Erhards eigentliches Vermächtnis ist das begriffliche Zwillingspaar „Freiheit und Verantwortung“. Der Staat setzt den Rahmen; die handelnden Menschen füllen ihn aus. Das steht im eklatanten Gegensatz zur Realität der heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, die sich von der Sozialen Marktwirtschaft immer weiter entfernt, und noch mehr im Widerspruch zu den Vorstellungen einer autokratischen, demokratiefeindlichen Planwirtschaft unter dem Deckmantel einer angeblich ökologischen Notwendigkeit.

Ludwig Erhard steht im Weg, weil er für Freiheit UND Wohlstand steht, für „Wohlstand für Alle“. Gerade mit Blick auf den 30. Jahrestag des Mauerfalls und den Anfang vom Ende der DDR stellt sich die Frage: Soll es zukünftig wirklich wieder nur Wohlstand für Funktionäre geben?

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