Im Sinne der Generationengerechtigkeit besteht die Pflicht, zukünftigen Generationen Wohlstand und ein Leben in einer intakten Umwelt zu ermöglichen, so Michael Hüther. Die Kapitalmärkte haben das bereits verstanden.

Das erste große deutsche Umweltschutzprogramm orientierte sich noch maßgeblich an einer ordnungspolitisch verankerten Grundlinie. Im Kabinett von Willy Brandt begriff man 1970 Umweltverschmutzung als Marktversagen im neoklassischen Sinn und versuchte, dem Problem über das nachgelagerte Internalisieren der externen Effekte beizukommen. Um den „blauen Himmel über der Ruhr“ wiederherzustellen, bekam Umweltschutz einen nachsorgenden Charakter. Für Gemeingüter wie saubere Luft oder den sauberen Rhein ließ sich so ein Staatseingriff legitimieren.

Eine grundsätzlichere umweltbezogene Kritik an der Wirtschaftsweise wurde öffentlichkeitswirksam mit dem Bericht „Grenzen des Wachstums“, durch den Club of Rome im Jahr 1972 formuliert, mit dem sich auch ein vorsorgender Klimaschutz begründen lässt, der den Qualitätserhalt der Umwelt und die Sicherung kritischer Ressourcen adressiert. Die internationalen Klimakonferenzen sowie das Pariser Abkommen 2015 tragen beide Handschriften und verstehen insbesondere den klimaschädlichen CO2-Ausstoß als irreversibel.

Gemäß dem Stand der Klimaforschung müsste der globale CO2-Ausstoß um über 30 Prozent sinken, um den Temperaturanstieg zwischen 2020 und 2030 auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, bis 2050 sogar um bis zu 70 Prozent. Allein die Dimension dieser Zahlen deutet auf die Dringlichkeit und Handlungsnotwendigkeit hin. Auch die vielen Rufe nach Verboten für das individuelle Handeln hier und dort werden mit der notwendigen Tempoverschärfung beim Klimaschutz begründet.

Unterschiedliche Ambitionen

Allerdings sind dabei die national wie regional unterschiedlichen Ambitionsniveaus in ihrer globalen Rückwirkung zu beachten. Wird Klimaschutz einseitig verschärft, verlagern sich Emissionen lediglich – zulasten der heimischen Beschäftigung. Eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung muss immer gleichwertig die soziale und freiheitliche Komponente in den Blick nehmen.

Ein verordneter Wachstumsstopp mag in den heutigen Industrieländern schwer vorstellbar sein; in Schwellen- und Entwicklungsländern kommt er als paternalistischer westlicher Wahnsinn daher. Vielmehr benötigen ärmere Länder Unterstützung und Technologie, vor allem bei Basisinfrastrukturen, um elementare Gesundheitsversorgung und Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Diskutieren ließe sich ein internationaler Handel mit Reduktionsverpflichtungen, bei dem reiche Länder diese den ärmeren Ländern abkaufen können. Dem Klimaschutz wäre dann genauso geholfen wie den Handlungsmöglichkeiten im globalen Süden.

Der Europäische Zertifikate-Handel (ETS) stellt ein überregionales und beispielhaftes Steuerungsinstrument im Klimaschutz dar. Mit der Macht des Markts werden länderübergreifend Unternehmen mit effizienten Anlagen belohnt und jene mit hohem CO2-Ausstoß belastet. Über eine Verknappung der Zertifikate kann ein maximal effizienter Klimaschutz erfolgen, bislang allerdings nur in der Industrie und im Energiesektor. Spätestens seit dem Preisanstieg Mitte 2018 entfaltet der Marktmechanismus seine Wirkung. Auch hier muss die Politik jedoch im Blick behalten: Regionalspezifisch wird je nach Wirtschaftsstruktur ein hoher Preis bezahlt.

Der CO2-Ausstoß als klare Maßzahl für Klimaschädlichkeit macht den Zertifikate-Handel wegen seiner Mengensicherheit und seiner effizienten Wirkung so attraktiv. Zwingend ist allerdings, die anderen emittierenden Wirtschaftsbereiche – Verkehr und Wohnen – systematisch zu integrieren. Häufig ist jedoch auch mehr Abwägung gefragt. Interessenkonflikte brechen etwa auf, wenn der Ausbau von erneuerbaren Energien mit Naturschutz in Widerspruch gerät. Legitime Ansprüche müssen selbstverständlich Gehör finden. Investoren müssen aber ebenso in einem absehbaren Zeitrahmen sicher planen können. Nicht nur bei Großprojekten wurde dieses Ziel zuletzt verfehlt.

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Innovationen statt Verzicht

Richtungsweisend könnte die europäische Green Bond Standard Initiative wirken, soweit sie vom Markt geprägt und getragen ist. Über Jahre ist die Nachfrage nach „grünen“ Kapitalanlagen gestiegen, wenngleich das Gesamtvolumen noch überschaubar ist; so erreichten Green Bonds 2017 gerade mal ein Prozent aller ausstehenden Anleihen. Den Anlegern stand lange ein unübersichtlicher Strauß an Produkten unter dem Label „ESG – Environmental Social Governance“ gegenüber. Die Europäische Kommission will nun die von der Zivilgesellschaft erarbeiteten Standards von „grünen“ Investitionskriterien in ein staatlich geprüftes Gütesiegel überführen. Das kann helfen, den Grundstein für kapitalunterlegte Innovationen zu liefern und in Kombination mit kluger Regulierung von Produktion und Konsum eine Effizienzrevolution zu unterstützen.

Im Sinne der Generationengerechtigkeit besteht die Pflicht, Instrumente umzusetzen, die zukünftigen Generationen Wohlstand und ein Leben in einer intakten Umwelt ermöglichen. Die Kapitalmärkte haben bereits heute verstanden: Nur mit technologiegetriebenen Innovationen können wir auch in Zukunft klimafreundlich produzieren und die steigenden Bedürfnisse rund um den Globus befriedigen. Verzicht mag der scheuklappenartig engen Zielerfüllung des Klimaschutzes dienen, die Degrowth-Philosophie ist hingegen kaum mit einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu vereinbaren.

In der Dringlichkeit der Zielerfüllung sind sich alle einig. Daher brauchen wir schnell wirksame Instrumente, die Klimaschutz und Wohlstandswahrung vereinen. Nun geht es an die Zielerfüllung – mit klaren, fairen und verlässlichen Rahmenbedingungen kann Europa seiner globalen Vorbildfunktion gerecht werden. „Mut zum Markt!“ ist dabei auch auf diesem Politikfeld die Devise.

Prof. Dr. Michael Hüther ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Er ist Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung.

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Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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