Das Wirtschaftsklima trübt sich ein – in Deutschland, Europa und global. Die Umfragewerte der SPD verschlechtern sich auf historische Tiefstände. Wie reagieren die Genossen? Ihr Arbeitsminister Hubertus Heil verkündet eine „Respektrente“, die für einen Teil der mehr als 35 Jahre in die Rentenkasse einzahlenden Geringverdiener, Teilzeitbeschäftigten oder immer wieder Arbeitslosen fast eine Verdoppelung ihrer Rente verspricht – ohne Bedürftigkeitsprüfung. Mit dem Geiste Karl Schillers möchte man der SPD zurufen: „Genossen, Ihr habt nicht alle Tassen im Schrank!“

Wie unsortiert die sozialdemokratischen Spitzengenossen mit dem Absturz ihrer Partei umgehen, zeigt die merkwürdige PR-Doppelstrategie, die zwei SPD-Bundesminister zu Wochenbeginn praktizierten: Während Sozial- und Arbeitsminister Hubertus Heil jährlich 5 Milliarden Euro zusätzlich für seine „Respekt-Rente“ einfordert, outet das Finanzministerium unter Federführung von Olaf Scholz eine Deckungslücke von 25 Milliarden Euro bis zum Jahr 2023 im Bundeshaushalt. Der Arbeitsminister will offensichtlich das verloren gegangene soziale Profil der SPD schärfen, der Finanzminister sich als Spar-Mahner in Erinnerung bringen, um damit die CDU-Forderung nach einer Komplett-Abschaffung des Solidaritätszuschlags zu desavouieren.

Glaubwürdig ist beides nicht. Denn nicht zuletzt der Bundesfinanzminister brachte im vergangenen Jahr mit seiner Idee, das Rentenniveau bis 2040 auf 48 Prozent und die Beitragssätze auf 22 Prozent festzuschreiben, eine sündhaft teure „Aktion Abendsonne“ zur Beglückung der älteren Wählerkohorten ins Gespräch. Inzwischen wurde im Bundesfinanzministerium Inventur gemacht und aufaddiert, was die Große Koalition bereits mit Baukindergeld, doppelter Leitplanke in der Rentenversicherung (vorerst bis 2025) und Mütterrente II an dauerhaften neuen Sozialausgaben generiert hat. Dass die fetten Jahre mit ständig stark wachsenden Steuereinnahmen zu Ende gehen, weil auch ein langer Konjunkturzyklus wieder im Abschwung endet, hatte Scholz bereits zu Jahresbeginn verkündet.

Aus Angst vor dem politischen Absturz gibt die Sozialdemokratie so en passant eherne Grundsätze der Rentenpolitik auf. Wo bleibt bei Heils Grundrenten-Konzept das Äquivalenzprinzip? Das Prinzip besagt: Wer mehr einzahlt, erhält auch eine höhere Rente! Wer dieses Prinzip so schamlos aushöhlen will wie der Bundesarbeitsminister, schlägt Versicherten, die auf weniger als 35 Beitragsjahre kommen, ihre bezahlten Beiträge um die Ohren, für die sie oft weniger erhalten als die von ihm aufgestockten Respekt-Rentner. Und warum soll die Bedürftigkeitsprüfung wegfallen? In Karlsruhe hat Heil eben erst im Verfahren um die Sanktionsmöglichkeiten im Hartz-IV-Bezug die Bedürftigkeitsprüfung verteidigt. Jetzt will er sie bei der Grundrente abschaffen und nimmt dabei billigend in Kauf, dass die Partner von gut verdienenden Beamten oder Selbständigen eine von der Versichertengemeinschaft oder den Steuerzahlern aufgestockte Rente beziehen können.

Nachhaltig ist diese SPD-Politik mitnichten. Sie geht voll zulasten der jungen Generationen. Ob sie zu Stimmengewinnen bei den Alten führt, ist mehr als fraglich.

Oswald Metzger ist stellvertretender Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

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