Die Bundesregierung hat am 27. Juni 2018 Steuerentlastungen für Familien beschlossen. „Wenn sich ein sozialdemokratischer Finanzminister spendabel zeigt, dann muss man genau hinschauen“, meint Oswald Metzger, stellvertretender Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

In der vergangenen Woche verkaufte Bundesfinanzminister Olaf Scholz der Öffentlichkeit eine Mogelpackung als Steuerreform. Denn der Großteil dieser Steuerentlastung beruht auf dem verfassungsrechtlichen Gebot, den steuerfreien Grundfreibetrag an die Höhe des jährlichen Existenzminimums anzupassen. Das Gleiche gilt für den Kinderfreibetrag beziehungsweise das Kindergeld. Auf diese beiden Verfassungsgebote entfällt der größere Teil der Entlastungssumme, die auf Jahresbasis hochgerechnet knapp 9,8 Milliarden Euro Entlastung für die Steuerzahler bewirken soll. Die leichte Abmilderung der kalten Progression ist das einzige freiwillige Aperçu in diesem kleinen Steuerpaket.

Fehlanzeige dagegen bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, dessen Jahresaufkommen derzeit bei mehr als 18 Milliarden Euro liegt. Hoch und heilig hatten vor allem die Unionsparteien bei seiner Einführung zur Finanzierung der deutschen Einheit versprochen, diesen 5,5-prozentigen Zuschlag auf die Einkommensteuer spätestens bei Auslaufen des Solidarpakts (Ende 2019) abzuschaffen.

Doch was interessieren schon politische Versprechungen, wenn es um das Portemonnaie der Bürger geht. Je mehr Geld Politiker den Bürgern nicht abknöpfen, desto weniger können sie selbst für neue soziale Wohltaten aus der Staatskasse ausgeben. Mit dieser Haltung ist die Union heute nahezu deckungsgleich mit der Sozialdemokratie.

Teure Wiederaufstehung der Eigenheimzulage

Obwohl aufgrund der Vollbeschäftigung und der – trotz deutlicher Schwächeanzeichen – immer noch positiven Konjunkturentwicklung die Steuereinnahmen von Rekordstand zu Rekordstand eilen, lässt sich die Union ganz offensichtlich auch auf die Strategie der SPD ein, den Soli nur für die unteren Einkommen und erst zum Ende der Legislaturperiode abzuschaffen. Für alle anderen Steuerpflichtigen mutiert dann die Nichtabschaffung – vom Volumen her immerhin gut zehn Milliarden Euro jährlich – zu einer faktischen Steuererhöhung.

Zur finanzpolitischen Mentalität dieser kleinsten Großen Koalition aller Zeiten passt, das just am Tag dieser Steuerreform-Mogelpackung die teure Baukindergeld-Wohltat von Volker Kauder und Andrea Nahles im Frühstücksfernsehen verkündet wurde. Die frühere Eigenheimzulage, eine der teuersten und ineffektivsten steuerlichen Fördertöpfe des Staates, die genau deshalb von der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel 2005 abgeschafft wurde, feiert heute in gleicher politischer Konstellation als Baukindergeld (1.200 Euro pro Kind und für 10 Jahre) teure Wiederauferstehung. Das wird vor allem zu Mitnahmeeffekten der Bauwirtschaft und der Immobilienverkäufer führen und natürlich zu einer Umverteilung von steuerzahlenden Mietern zu Eigentümern.

Wer sich die Entwicklung der Grunderwerbsteuersätze anschaut, die von den Länderparlamenten beschlossen werden, der merkt schnell, welches böse Spiel die Politik spielt. In Berlin beispielsweise liegt die Grunderwerbsteuer bei sechs Prozent. Dort knöpft der Fiskus einer Familie mit zwei Kindern, die sich für 400.000 Euro eine Immobilie leistet, mit 24.000 Euro genauso viel Grunderwerbsteuer ab, wie die Große Koalition im Bund jetzt generös als Baukindergeld spendiert.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 29. Juni 2018 im Konstanzer Südkurier.

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