Der stellvertretende Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung Prof. Dr. Ulrich Blum beschreibt in zehn Punkten das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard.

1) Freiheit

Freiheit ist oberstes Ziel und unteilbar! Freiheit, Wohlstand für alle und Wohlstand durch Wettbewerb sind eine Einheit. Ludwig Erhard betonte stets die enge Verbindung zwischen wirtschaftlicher und politischer Freiheit. Dies kommt auch in seinem späteren Wettbewerbsleitbild zum Tragen. Eine Wettbewerbswirtschaft ist demzufolge ein Element zur Ergänzung menschlicher Grundfreiheiten für Bürger gleichermaßen als Konsumenten und Arbeitnehmer sowie der Unternehmer.

2) Eigentum

Eigentum war für Ludwig Erhard eine Grundlage der Freiheit! Nur durch Eigentum sind Verantwortung und Haftung auch durchsetzbar. Das Eigeninteresse erschien ihm stets als eine der mächtigsten Motivatoren für gesellschaftlich verantwortliches akzeptables Handeln. Privates Wohneigentum sah er als eine wichtige Grundlage für persönliche Freiheit und Unabhängigkeit an, ergänzt um die Beteiligung am Produktivvermögen im Sinne der Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung und Mitverantwortung.

3) Menschenbild

Ludwig Erhard geht von einem mündigen Bürger und Konsumenten aus, weiß aber um deren Verführbarkeit, weshalb er die Politik in einen machtbegrenzend wirkenden Ordnungsrahmen gestellt wissen wollte. Konkret war seine Sicht auf den Menschen von seinem protestantischen Elternhaus geprägt, was für ihn stets den Vorzug deszentraler und subsidiärer Lösungen vor zentralistischen bedeutete.

4) Wettbewerb und Ordnung

Wettbewerb, also das Wechselspiel aus Innovation und dem Übergang der Marktanteile von den „Unternehmern“ zu den „Unterlassern“, ist ein offener Prozess, an dem alle teilhaben können. Der Staat ist gefordert einen Ordnungsrahmen zu setzen, damit dieser Prozess chancengleich und fair abläuft. Hier lehnt sich Erhard an die konstituierenden und regulierenden Prinzipien von Walter Eucken an. Konkreter war ihm als begeisterter Fußballfan das oft aufgegriffene Bild eines Fußballspiels mit Regeln und Schiedsrichter. Die Spielregeln müssten so gestaltet sein, dass es anspornend wirkt, sich an diese zu halten. Der Staat solle sich in der Wirtschaft zurückhalten – ganz so wie der Schiedsrichter, der auch nicht mitspiele.

5) Sozial

Sozial ist zunächst all das, was einen Beitrag dazu leistet, dass es dem Bürger gut geht, insbesondere als Arbeitnehmer und als Konsument. Deshalb sei der Wettbewerb sozial, weil er durch Wettbewerb Preise niedrig hält und durch Innovation Fortschritt erzeugt. Eine stabile Währung leiste damit einen wichtigen sozialen Beitrag, um die Knappheitssignale der Preise zu kommunizieren: Dies wiederum ermöglicht es den Kunden und Unternehmen, Wahlentscheidungen rational zu treffen. Weithin diene eine soziale Absicherung vor allen Dingen dazu, das Eingehen wirtschaftlichen Risikos, ob als Arbeitnehmer oder Unternehmer, abzusichern. Ein überbordender Sozialstaat würde die Freiheit des Einzelnen, seine Selbstbestimmung und Initiative schwächen.

6) Handel

Erhard sah sich gerne als Wegbereiter des internationalen Handelns und als wichtiger Türöffner für die deutschen Produkte im Ausland. Er war ein vehementer Gegner des strategischen Handels, was auch seiner starken, am Mittelstand orientierten Wettbewerbsauffassung entsprach. Er war Europäer, sah aber deutlich die Gefahren einer paternalistischen Bevormundung im Sinne eines „Anmaßens von Wissen“ von zentralen Institutionen, weshalb er immer wieder Subsidiarität und Dezentralität anmahnte.

7) Umwelt

In Umweltfragen sprach Erhard dem Staat die Verpflichtung zu einer Rahmensetzung zu, damit die Wirtschaft innerhalb dieser ihre Verpflichtungen erfüllen könne. Heute wäre er vermutlich ein Befürworter von Lösungen, die starke Knappheitssignale in alle Märkte nach Maßgabe ihrer Umweltnutzung senden, also sogenannten Mengenlösungen (Umweltlizenzen), bei denen der Rahmen durch wissenschaftlich beziehungsweise politisch gesetzte Begrenzungen vorgegeben wird, innerhalb dessen sich Preise frei ausbilden.

8) Systemwettbewerb

Zu Ludwig Erhards Zeiten bestand der wirtschaftliche Systemwettbewerb vor allen zwischen der zentralverwaltungswirtschaftlichen und der marktwirtschaftlichen Ordnung und damit auch politisch zwischen einer sozialistisch-kommunistischen Institution und einer liberalen Institution. Für ihn war die Überlegenheit der liberalen Markwirtschaft aufgrund ihrer hohen Leistungsfähigkeit offensichtlich. Sie würde sich durchsetzen, wenn man ihr die Freiheit und die Kreativität gäbe. Allerdings plagte ihn stets die Sorge vor der Zentralisierungsdynamik durch politische Machtansprüche auch in demokratischen Systemen. Der heutige Systemwettbewerb zwischen den zwei Sonderformen der Marktwirtschaft, nämlich einerseits dem autokratischen Kapitalismus chinesischer und teilweise auch russischer Prägung sowie dem radikalen Kapitalismus angelsächsischer Prägung und andererseits der Sozialen Markwirtschaft hätte er vermutlich als eine weit größere ordnungsökonomische Herausforderung begriffen als die seinerzeitige Rivalität mit den kommunistischen Systemen.

9) Staat

Für Erhard hatte der Staat stark im Ordnungsrahmen und in der Regeldurchsetzung zu sein, aber zurückhaltend bei direkten Interventionen. Die Ordnung war so zu gestalten, dass Probleme, wenn sie aufträten, innerhalb des bzw. durch das Regelwerk gelöst werden können. Denn Regeln erst zu schaffen, wenn das Problem virulent ist, mache den Staat erpressbar.

10) Soziale Marktwirtschaft

Das ist nicht Marktwirtschaft plus Sozialversicherung! Die Soziale Marktwirtschaft ist Ausdruck einer Wettbewerbsordnung, die sozial ist, weil sie niedrige Preise und Innovation durch Wettbewerb durchsetzt, was eine erste soziale Errungenschaft ist (Wohlstand für Alle). Sie sichert das kreative Handeln des Menschen ab, der, falls er wirtschaftlich strauchelt, nicht vernichtet werden soll, um seinen Wagemut zu stützen. Sie betont für wirtschaftliches Handeln den Dreiklang von Zuordnung, Verantwortung und Haftung, weshalb Eigentum das zentrale Element ist, welches das entsprechende Risikokalkül schärfen soll. Schließlich kann nur durch Wettbewerb eine Nation mittels ständiger Innovationsprozesse reich werden, was ihr ermöglicht, den sozialen Ausgleich, nämlich den modernen Sozialstaat, zu bieten.

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