Die Nullzinspolitik bewahrt immer mehr Firmen vor dem Konkurs. Damit wächst das Risiko einer Insolvenz-Lawine in der nächsten Rezession.

In einer Marktwirtschaft, die auf unternehmerischer Freiheit und Wettbewerb um Kunden besteht, ist ein ständiger Veränderungsprozess im Gang, der neue Unternehmen entstehen und nicht mehr konkurrenzfähige verschwinden lässt. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter prägte dafür den Begriff „schöpferische Zerstörung“, in dem sich die Ambivalenz zwischen ständiger Innovation und destruktiver Verdrängung im Kapitalismus anschaulich ausdrückt.

Je produktiver und innovativer eine Volkswirtschaft ist, umso mehr Beschäftigung und Wohlstand entstehen. Doch eine noch unterbelichtete Nebenwirkung der jahrelangen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) besteht darin, dass Unternehmen im Markt gehalten werden, die in normalen Zins-Zeiten längst in Konkurs gegangen wären. Solche „untoten “ Unternehmen, als Zombies etikettiert, bestehen laut OECD-Definition mindestens schon zehn Jahre, können aber bereits seit drei Jahren ihren Schuldendienst nicht mehr aus dem operativen Gewinn bezahlen. Mit einer aktuellen Studie belegt die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die seit Jahrzehnten zigtausende börsennotierte Unternehmen aus 14 OECD-Staaten analysiert, dass die Zahl der Zombies immer weiter wächst.

Heute sind bereits 10 Prozent der untersuchten Unternehmen Untote. Sie werden am Leben erhalten, weil Banken aus opportunistischen Gründen die fälligen Abschreibungen scheuen und stattdessen lieber „Evergreening“ betreiben, also ständige Kreditverlängerungen. Die Schuldenlast wird ja vermeintlich immer geringer, weil alte hochverzinsliche Kredite durch immer günstigere abgelöst werden. Dass diese Zombie-Problematik mit dem Zinsniveau in direktem Zusammenhang steht, ist offensichtlich. Besonders ausgeprägt ist die Zombiefizierung in Italien. Dort ist die Zahl solcher untoter Unternehmen innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 8 auf 19 Prozent gestiegen. Damit verdrängen die Zombies die Gesunden, bremsen das Wachstum und mindern den Wohlstand.

„Erst bei Ebbe zeigt sich, wer nackt baden gegangen ist.“ Dieses Bonmot des legendären Investors Warren Buffet passt auf die volkswirtschaftlichen Risiken, die für Unternehmen und Banken mit einer Zinswende verbunden sind. Dabei ist diese nötiger denn je. Die amerikanische Notenbank hat sie längst eingeleitet. Aber in den USA gibt es auch deutlich weniger Zombie-Firmen als in Europa. Doch unter Mario Draghi ist bei der EZB bis ins Jahr 2019 mit keinem Ausstieg aus der Nullzinspolitik zu rechnen. In der nächsten Rezession wird sich das bitter rächen. Die Geldpolitik kann der Politik dann nicht mehr mit weiteren Zinssenkungen helfen.

Eine Insolvenz-Lawine, befördert von jahrelang künstlich am Leben gehaltenen Zombie-Firmen, wird die Rezession verstärken. Banken werden wegen der schlagartigen Abschreibung ihrer faulen Kredite ins Trudeln geraten, überteuerte Immobilienpreise implodieren. Der deutsche Bundeshaushalt wird wieder hohe Schulden machen müssen. Und an den Börsen wird nicht mehr der Bulle, sondern der Bär den Takt vorgeben.

Oswald Metzger ist stellvertretender Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Sein Beitrag erschien zuerst im Konstanzer Südkurier vom 16. März 2018.

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