Weg mit nationalen Steuer-Alleingängen! Deutschland sollte seinen gleichzeitigen Vorsitz in der Europäischen Kommission und im Rat der EU in der zweiten Jahreshälfte nutzen und einen EU-weiten Emissionshandel durchsetzen, fordert Matthias Warneke.

Immer wieder versucht die Politik, mit Steuern das Umweltverhalten der Bürger zu beeinflussen. Und immer wieder scheitert sie damit – eine ernüchternde Erkenntnis, zumal bessere Instrumente als Umweltsteuern existieren.

Ein Paradebeispiel für das verfehlte Politikprinzip „Steuern mit Steuern“ ist der Verkehrssektor. Die Kfz-Steuer berücksichtigt Umweltaspekte, indem sie sich nach der Hubraumgröße und nach den CO2-Emissionen des Fahrzeugs bemisst. Doch Bürger und Betriebe zahlen die Kfz-Steuer nicht für das Fahren, sondern lediglich für das Halten des Fahrzeugs. Dabei ist für die Umwelt nicht der potenzielle, sondern der tatsächliche CO2-Ausstoß relevant, der sich insbesondere nach der Fahrleistung eines Kfz bestimmt. Konkret: Die Kfz-Steuer für ein Auto mit großem Hubraum und veralteter Verbrennungstechnik ist teuer, doch bei geringer Fahrleistung ist ein solches Auto weniger umweltbelastend als so manches emissionsarme Fahrzeug, das intensiv genutzt wird.

Parallel zur Kfz-Steuer existiert die Energiesteuer, also die frühere Mineralölsteuer mit den Zuschlägen durch die Ökosteuer. 0,65 Euro Energiesteuer (zuzüglich Mehrwertsteuer) kostet der Liter Benzin an der Tankstelle. Das ist substanziell und damit – zumindest theoretisch – ein Anreiz, weniger zu fahren, weniger Benzin zu verbrennen und somit weniger CO2 zu emittieren. Faktisch jedoch ist die Nachfrage der Kunden nach Kraftstoffen relativ preisunempfindlich. Besonders eindrucksvoll zeigt das die Ökosteuer-Erfahrung: Durch die 1999 eingeführte Ökosteuer verteuerten sich Benzin und Diesel bis 2003 spürbar um jeweils 15,35 Cent pro Liter. Dennoch wuchs der Kraftstoffverbrauch von 1998 bis 2004 um ein Prozent auf 68,3 Milliarden Liter. Die Fahrleistungen stiegen im gleichen Zeitraum dank effizienterer Motoren sogar um mehr als sieben Prozent auf 590 Milliarden Kilometer. Im Jahr 2017 lag die Fahrleistung dann bei 630 Milliarden Kilometer. Die von den Initiatoren der Ökosteuer erhoffte Lenkungswirkung gab es nicht.

Von der Ökosteuer befreit war von Anfang an der Luftverkehr. Stattdessen wurde im Jahr 2011 die Luftverkehrsteuer eingeführt. Doch auch sie hat nicht für einen Rückgang des Flugverkehrs gesorgt. 2010 gab es in Deutschland knapp 170 Millionen Flugpassagiere, im vergangenen Jahr waren es fast 230 Millionen. Dabei sind die Flugverlagerungen, insbesondere von grenznahen Flughäfen ins Ausland, noch nicht berücksichtigt. Und in der Diskussion über die für Anfang April 2020 geplante Erhöhung der Steuersätze bekannte die Bundesregierung, dass ihr „zum klimapolitischen Effekt … keine aktuellen Erkenntnisse“ vorliegen.

Lieblingsrezept der Politiker

Für den Fiskus selbst ist es kein Problem, dass die Kfz-Steuer, die Energie- bzw. Ökosteuer und die Luftverkehrsteuer umweltpolitisch versagen. Im Gegenteil: Gerade weil diese Steuern hinter ihren erwarteten Lenkungswirkungen zurückbleiben, sind sie stabile und mächtige Einnahmequellen. Spätestens an dieser Stelle ist die grundsätzliche Frage zu klären, ob besser funktionierende Umweltsteuern wünschenswert wären. Oder anders und scharf formuliert: Sollte es überhaupt eine massive Klimapolitik geben, um die CO2-Emissionen zu senken? Darüber wird teilweise erbittert gestritten. Die „Fridays for Future“-Bewegung hat die Diskussion über den Klimawandel zugespitzt. Als Deutsches Steuerzahlerinstitut (DSi) beobachten wir die Argumentationslinien in den unterschiedlichen Lagern, denn klimapolitische Maßnahmen können unabsehbare Milliardenkosten für Bürger und Betriebe nach sich ziehen.

Wer auf einschlägige Meta-Studien schaut, erkennt schnell: Die überwiegende Mehrheit der Klimaforscher geht von einem menschengemachten Klimawandel aus. Es wäre vermessen, als DSi diese wissenschaftlichen Erkenntnisse anzuzweifeln. Vielmehr wollen wir darauf drängen, dass notwendiger Klimaschutz nicht interventionistisch, sondern marktwirtschaftlich betrieben wird.

Immer wieder versucht die Politik, mit Steuern das Umweltverhalten der Bürger zu beeinflussen. Und immer wieder scheitert sie damit – eine ernüchternde Erkenntnis.

Natürlich ist Klimaschutz nicht kostenlos zu haben. Doch die Politik kann ihn zumindest kostengünstig und vor allem zielgenau gestalten. Steuerliche Maßnahmen sind nach den bisherigen Erfahrungen nicht das beste Mittel dafür, aber leider immer noch das Lieblingsrezept vieler Politiker. So erwogen Teile der Bundesregierung im Sommer 2019 eine neue CO2-Steuer, als es um das Klimapaket ging. Als das Bundesumweltministerium sogar ein fertiges Konzept auf den Verhandlungstisch legen konnte, schien die schrittweise steuerliche Verteuerung von Kraft- und Heizstoffen beschlossene Sache zu sein.

Der Bund der Steuerzahler mit dem DSi und viele andere marktwirtschaftlich orientierte Verbände warnten jedoch davor. Aus unserer Sicht gab und gibt es eine sinnvolle Alternative: die Ausweitung des bestehenden CO2-Emissionshandels auf weitere Sektoren und Länder. Insofern war es ein Teilerfolg, dass Ende 2019 keine CO2-Steuer, sondern die Einführung eines nationalen Emissionshandels im Verkehrs- und Wärmesektor beschlossen wurde.

Historische Chance

Anfänglich wird dieser Emissionshandel wegen seiner nationalen Beschränkung und der gesetzlich festgelegten Zertifikatspreise steuerähnlich und damit suboptimal sein. Doch das ist immer noch besser als die ursprünglich geplante Einführung einer neuen Steuer! Erstens hätte eine CO2-Steuer wohl auf unabsehbare Zeit Bestand gehabt; zweitens bietet der nationale Emissionshandel ab 2021 die Chance einer Weiterentwicklung zu einem mindestens EU-weiten Handel von CO2-Zertifikaten. Die Politik müsste dann nicht mit CO2-Steuersätzen experimentieren, wobei sie lediglich hoffen kann, ein gewünschtes CO2-Minderungsziel zu erreichen. Stattdessen könnte sie im Rahmen eines ausgeweiteten Emissionshandels vorgeben, welches Volumen an CO2-Emissionen klimawissenschaftlich sinnvoll erscheint. Den Rest würden die Marktkräfte übernehmen.

Jeder Sektor in jedem am Handel beteiligten Staat würde seine individuellen CO2-Vermeidungskosten gegen den Marktpreis eines Zertifikats abwägen. Wer hohe Vermeidungskosten hat, würde Zertifikate benötigen und hätte dadurch den Anreiz, weniger Energie zu verbrauchen bzw. auf effizientere Technologien umzusteigen. Wer bereits relativ effiziente Technologien besitzt, kann Zertifikate verkaufen. Alle Beteiligten zusammen würden nicht mehr CO2 als zulässig emittieren. Damit würde Klimaschutz am Ende zu dem, was es im Kern ist, nämlich zu einer technologischen Frage. Ein Beispiel: Hiesige Verbrennungsmotoren noch emissionsärmer zu bauen, ist teuer. Je nach Schätzung betragen die technologischen Vermeidungskosten für eine Tonne CO2 rund 300 Euro. In der Zementindustrie betragen die Vermeidungskosten rund 60 Euro, wenn beispielsweise die Technologie der „membrangestützten CO2-Verflüssigung“ genutzt wird. Einsparungen würden also zunächst in der Zementindustrie sinnvoll sein.

Um die unterschiedlichen Vermeidungspotenziale optimal auszunutzen, brauchen wir allerdings einen mindestens EU-weiten Handel. Für Deutschland bietet sich derzeit eine historische Chance, solch ein ambitioniertes Projekt voranzutreiben. Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission hat bereits für die Ausweitung des EU-Emissionshandels plädiert. Deutschland übernimmt zudem im zweiten Halbjahr 2020 die Präsidentschaft im EU-Rat. Statt nationalem steuerpolitischem Aktionismus ist jetzt die Gelegenheit für einen großen Wurf in Form eines EU-weiten Klimaschutzes auf Basis marktwirtschaftlicher Effizienz und Rationalität.

Matthias Warneke ist Leiter des Deutschen Steuerzahlerinstituts (DSi) des Bundes der Steuerzahler.


Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

DRUCKEN
DRUCKEN