Der Schutz des Klimas wird – nach dem Überwinden der Corona-Krise – als große globale Herausforderung wieder stärker in den Fokus rücken. Rupert Pritzl und Fritz Söllner verdeutlichen in zehn Thesen, wie eine nachhaltige Klimapolitik aussehen muss, wenn sie dem Anspruch genügen soll, sowohl ökologisch effektiv als auch ökonomisch effizient zu sein. [Hinweis: Die im Text zitierten Quellen finden sich vollständig am Ende des Beitrags.]

(1) Der Klimawandel ist ein globaler externer Effekt, der weltweit alle Länder betrifft, gleichwohl nicht alle davon negativer Weise. Gegenstand der Klimapolitik ist das Weltklima, eben also ein globales Gemeinschaftsgut, von dessen Konsum niemand ausgeschlossen werden kann; das bedeutet, dass von einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen zwar die meisten Länder profitieren würden, aber keines freiwillig zur Vermeidung beitragen möchte („Trittbrettfahrer“-Problem). Denn jedes Land hat nur geringe Möglichkeiten und deshalb auch nur einen geringen Anreiz, durch nationale Maßnahmen zum naturgemäß globalen Klimaschutz beizutragen. Für die Klimapolitik ist es konstitutiv, dass globale Problemnatur und nationale Problemlösungskompetenz auseinanderfallen. Da es keine „Weltregierung“ gibt, ist internationale Kooperation der rund 200 souveränen Staaten in der Klimafrage essentiell. Keine nationale Klimaschutzstrategie eines emissionskleinen Landes (wie beispielsweise Deutschland mit einem Anteil von etwa 2 Prozent an den weltweiten Treibhausgasemissionen-Emissionen) kann die weltweiten Emissionen im Alleingang nennenswert senken und das Weltklima maßgeblich beeinflussen. Hieran scheitert von vornherein grundsätzlich jede national ausgerichtete Klimastrategie und entlarvt sich als Schaufensterpolitik und Augenwischerei.

(2) Eine wirksame deutsche Klimapolitik muss daher zuallererst eine Klimaaußenpolitik sein, die auf internationale Verhandlungen und gemeinsame Anstrengungen aller Länder setzt. Ziel muss sein, eine weltweit einheitliche CO2-Bepreisung als zentrales Lenkungsinstrument für die Klimapolitik einzuführen. Dass Deutschland dies bisher nur in geringem Maße betrieben hat, liegt sicher auch daran, dass sich Deutschland mit seiner nationalen Energiepolitik (Kernenergieausstieg) selbst ins diplomatische Abseits befördert hat. Denn während fast alle anderen Länder dieser Welt beim Ausstieg aus den fossilen Energien auch auf die Anwendung und Weiterentwicklung der Kernenergie setzen können und dies auch tun, hat sich Deutschland diesen Weg freiwillig selbst verbaut, international Vertrauen verloren und somit Verhandlungskapital verspielt. (vgl. Pritzl, Rupert/Söllner, Fritz, 2021)

(3) Deutschland setzt stattdessen auf eine national ausgerichtete, sektorale und technologiespezifische Energiestrategie, dem sogenannten Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), nach dem nur ausgewählte Energieerzeugungsarten zugelassen sind und – im besten Fall – sogar nationale Energieautarkie (d.h. 100 Prozent erneuerbare Energien im Inland) angestrebt wird. Dies hat zu immensen gesellschaftlichen Kosten geführt (finanzielle Lasten, gesellschaftliche Akzeptanz), ohne dass die Bundesrepublik damit einen nennenswerten Beitrag zur Verminderung der Treibhausgasemissionen geleistet hätte. Dies überrascht eigentlich niemanden, da eine nationalstaatliche Energiepolitik im Rahmen des übergeordneten europaweiten Emissionshandelssystems schlichtweg überflüssig ist. Ein forcierter weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland wird immer weniger gesellschaftlich akzeptiert werden – angesichts der systembedingten Unzulänglichkeiten (z.B. mangelnde Versorgungssicherheit) und der unübersehbaren grundlegenden Konstruktionsmängel des EEG. Wir sehen deutlich, dass uns ein „Weiter-so-mit-dem-Falschen“ nicht hilft. Deutschland sollte diesen „klimapolitischen Irrweg“ (Reitzle, Wolfgang 2021) daher schnellstmöglich beenden und sich nicht künstlich als „Moralweltmeister“ inszenieren.

(4) Wir brauchen – in weit höherem Maße als bisher – eine stärkere Förderung von Forschung und Innovation und eine grundlegende Technologieoffenheit, um neue Klimaschutztechnologien für die Industrie marktfähig zu machen und neue klimafreundliche Energieerzeugungstechnologien zu entwickeln, die dann – nach dem Prinzip der „komparativen Kostenvorteile“ – weltweite Verbreitung und Anwendung finden sollten. Der komparative Standortvorteil für Photovoltaik oder Solarthermie liegt hierbei sicher eher im sonnenreichen Nordafrika und für Windenergie in küstennahen Gebieten. Hier könnte Deutschland seinen hohen moralischen Anspruch umsetzen, klimapolitisches Vorbild für die Welt zu sein. Die Corona-Krise hat im vergangenen Jahr zu einem wirtschaftlichen Einbruch in Deutschland geführt. Spätestens dieser wirtschaftliche Rückgang zeigt deutlich, dass eine Verzichtskultur oder Suffizienzvorstellungen weder in und für Deutschland gesellschaftlich erwünscht sind noch als Vorbild für die anderen Länder der Welt taugen, da diese unseren materiellen Wohlstand ja erst noch erreichen möchten. Eine dauerhafte CO2-Einsparung erreichen wir aber nicht durch Wirtschaftskrisen und gesellschaftlichen Verzicht, sondern nur durch massive Investitionen in CO2-neutrale Technologien.

(5) Die Klimapolitik ist ein Teilbereich der staatlichen Politik und sollte hohe Priorität genießen. Es sollte aber keine Verabsolutierung der Klimapolitik geben durch zum beispielsweise die Möglichkeit eines klimapolitischen Vetos durch das Bundeskanzleramt für alle Gesetzesvorhaben. Eine solche Verabsolutierung ließe außer Acht, dass die Vereinten Nationen aus gutem Grund im Jahr 2015 siebzehn Millenniums-Entwicklungsziele verabschiedet haben, die die menschlichen Bedürfnisse umfassend widerspiegeln und gemeinsam erreicht werden sollten. Dieser Gedanke pluraler Entwicklungsziele kommt schon in der grundlegenden Definition der Nachhaltigkeit zum Ausdruck, die bekanntlich die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales umfasst, welche stets miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Eine Klimapolitik, die einen ökonomischen und sozialen Ausgleich missachtet, kann daher nicht als nachhaltig bezeichnet werden.

(6) Da der weitaus größte Anteil der Treibhausgasemissionen energiebedingt ist, kann man das Klimaproblem im Grunde als ein Problem der effizienten Bereitstellung von klimaneutraler Energie auffassen. Dieses gilt es, nach dem ökonomischen Prinzip wie folgt zu optimieren:

  • Wir müssen möglichst viel CO2-Emission vermeiden.
  • Jede Einsparung verursacht Kosten.
  • Wir haben nur begrenzte Mittel zur Verfügung.

Daher muss eine sinnvolle Klimapolitik zwangsläufig eine kosteneffiziente Klimapolitik sein, d.h. es muss eine maximale CO2-Einsparung pro Kosteneinheit angestrebt werden. Angesichts der Größe der klimapolitischen Herausforderung und der auch damit verbundenen Verteilungswirkungen leuchtet es unmittelbar ein, dass die Kosteneffizienz das zentrale Kriterium der Klimapolitik sein muss. Eine kosteneffiziente Klimapolitik kann nur durch einen Ausgleich der Grenzvermeidungskosten in allen Bereichen und allen Sektoren und in allen Wirtschaftsräumen erreicht werden. Dies ist nur in einem marktwirtschaftlichen Umfeld durch den „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ zu gewährleisten und nicht etwa durch klimadirigistische Staatsinterventionen politisch vorzugeben. Nur durch die bewusste Indienstnahme der Marktwirtschaft und des Systems der relativen Preise und nicht etwa durch weitere Einschränkung und womöglich Abschaffung der Sozialen Marktwirtschaft – was sich so manche Klimaaktivisten insgeheim oder auch explizit anscheinend wünschen – wird das Ziel der Klimaneutralität effektiv und effizient erreicht werden können (vgl. Weimann, Joachim 2019).

(7) In unserer Sozialen Marktwirtschaft setzen wir seit Ludwig Erhard im Jahr 1948 auf marktliche Anreize, auf Privateigentum sowie die untrennbar miteinander verknüpften Werte von Freiheit und Verantwortung und eben nicht auf staatlichen Dirigismus und Verbote. Mit dieser Wirtschaftsordnung haben wir wirtschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit erreicht und unseren gesellschaftlichen Wohlstand geschaffen. Dies sollte in der Klimapolitik ebenso gelten: Wir brauchen keine Klima-Planwirtschaft und keine Verbotskultur, sondern stattdessen eine „marktwirtschaftliche Ermöglichungskultur“, die ökologische Zielsetzungen mit ökonomischen Mitteln bestmöglich erreicht.

(8) Für die EEG-Förderung werden lt. Bundesrechnungshof rund 34 Milliarden Euro pro Jahr aufgewandt, die gesamte EEG-Förderung von 2000 bis 2025 wird auf rund 520 Milliarden Euro beziffert (vgl. Bundesrechnungshof 2021). Und in den vergangenen Jahren wurden zusätzlich noch zahlreiche Förderprogramme in zweistelligen Milliardenbeträgen aufgelegt. Das Fördervolumen erreicht mittlerweile finanzielle Dimensionen, die so nicht mehr länger aufrechterhalten werden können. Wir können die „Klimaneutralität aber nicht herbeifördern“, so zitiert das Handelsblatt die Wirtschaftsprofessorin Veronika Grimm, sondern wir müssen die Rahmenbedingungen so vernünftig und nachhaltig setzen, dass die privaten Investitionen – die die staatlichen Investitionen bekanntlich um das etwa Achtfache übersteigen – in die richtige Richtung gehen und sich letztlich selbst rechnen.

(9) Die Einführung einer CO2-Bepreisung belässt den Marktakteuren ihren wirtschaftlichen Handlungsspielraum und erzielt Einnahmen, die ganz gezielt für die soziale Abfederung der negativen Wirkungen klimapolitischer Maßnahmen verwendet werden können. Die steigenden Energiepreise machen deutlich, dass Energiearmut ein nicht zu vernachlässigendes Problem in Deutschland ist. Demgegenüber generieren ordnungsrechtliche Maßnahmen (z.B. Verbote von Inlandsflügen oder des Verbrennungsmotors, ein Tempolimit, der Atom- und Kohleausstieg) keine Einnahmen und suggerieren vielmehr, dass sie für die Bevölkerung kostenlos seien. Sie werden in politischer Diskussion daher selten bis gar nicht angesprochen und meist: „das kostet nichts“ oder als „low hanging fruits“ bezeichnet. Ordnungsrecht erzwingt allerdings die Vermeidung auch bei hohen Vermeidungskosten und ist für eine kosteneffiziente Vermeidungspolitik schon im Grundsatz ungeeignet.

(10) Es ist endlich an der Zeit, die Klimadiskussion in der Gesellschaft ehrlich zu führen, realistische Ziele zu formulieren, die Kosten und Belastungen zu thematisieren und vernünftige effektive und effiziente Instrumente für die Zielerreichung auszuwählen. Wir sollten endlich aufhören, uns mit moralischen und ideologischen Motiven weiterhin um eine ehrliche, aber notwendige Diskussion zu drücken. Dazu brauchen wir dringend eine neue Diskursehrlichkeit und einen Neuaufbruch in eine vernunftgeleitete und damit nachhaltige Klimapolitik. Es ist zu hoffen, dass ein Ergebnis der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen ein solcher Neuaufbruch sein wird.


Dr. Rupert Pritzl ist im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie tätig und seit 2021 Lehrbeauftragter an der FOM Hochschule München. Er gibt seine persönliche Meinung wieder.
Prof. Dr. Fritz Söllner ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, an der Technischen Universität Ilmenau.

Literatur

Bundesrechnungshof (2021), Bericht nach § 99 BHO zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität, vom 30.3.2021, Bonn.

o.V. (2021), „Klimaneutralität lässt sich nicht herbeifördern“, in: Handelsblatt vom 11.10.2021, Seiten 4–5.

Pritzl, Rupert/Söllner, Fritz (2021), Rationale Klimapolitik – ökonomische Anforderungen und politische Hindernisse, in: List-Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Heft 46, Seiten 423–444.

Reitzle, Wolfgang (2021), Auf dem Klima-Irrweg, in: DIE WELT vom 22.9.2021, Seite 7.

Weimann, Joachim (2019), Die Zukunft der Klimapolitik: CO2-Steuer, Emissionshandel oder weiter wie bisher?, Kurzgutachten für den Bundesverband Die Familienunternehmer e.V./ Die jungen Unternehmer, Berlin.

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