Wir stehen vor der Herausforderung einer großen ökologischen Transformation. Es muss im Interesse jedes einzelnen Menschen, aber auch im Interesse des Friedens der Gesellschaft erreicht werden, dass diese Transformation ohne Verlust von Wohlstand und Arbeitsplätzen ermöglicht wird. Der Ersatz der fossilen Energie zu vertretbaren Preisen ist das zentrale Thema der kommenden Jahre.

Bei den jetzt vorgegebenen Einsparzielen sind wir am Anfang eines schmerzhaften Weges. Die Bedeutung des richtigen CO2-Preises hatte ich vor Kurzem schon in meinem Kommentar „Klimapolitik: Mit Kreativität das fast Unmögliche versuchen“ thematisiert. Damit enden die schmerzhaften Übergangsprozesse jedoch nicht. Die für das ehrgeizige Ziel erforderliche elektrische Energie ist in Deutschland auf absehbare Zeit nicht produzierbar, zu wirtschaftlichen Bedingungen wahrscheinlich nie. Wir werden über Jahrzehnte nahe am Blackout leben. Wir brauchen eine internationale Beschaffung von Strom, für eine Übergangszeit auch aus denjenigen Kernkraftwerken, die schon bestehen und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in Europa gebaut werden.

Die Hoffnungen, dass es schließlich funktionieren kann, liegen nur zu einem Teil in der so gepriesenen Vervielfachung von Windrädern und Sonnenkollektoren. Wir brauchen für die Versorgung der Industrie, aber auch für stabile Speicher und einen Teil unserer Fahrzeuge Wasserstoff. Glücklicherweise hat die Bundesregierung hier schon Initiativen gestartet und mit beachtlichen Summen in der vergangenen Woche untermauert: H2Mare für die Offshore-Produktion von Wasserstoff und das H2Global-Konzept für internationale Zusammenarbeit. Im Falle einer Zusammenarbeit von Schwarz und Grün liegt hier ein wesentliches Feld für Kompromisse und Beschleunigung. Wasserstoff zu vertretbaren Preisen muss zu wesentlichen Teilen aus dem sonnigen Afrika kommen, und wir brauchen sofort entsprechende Vereinbarungen mit den betroffenen Staaten. Es werden über 100 Terawattstunden bis 2030 gebraucht; in Deutschland wird bis dahin maximal eine Produktionskapazität von 14 Terawattstunden bereitstehen, falls alle Regierungspläne realisiert werden können. Wenn die Internationalisierung scheitert, scheitert das Wasserstoffprojekt.

Der aus regenerativen Energien gewonnene Wasserstoff soll einen größtmöglichen Anteil haben. Aber die Fixierung auf diesen sogenannten „grünen“ Wasserstoff, der möglichst aus Deutschland kommt, muss beendet werden. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm hat schon vor einigen Wochen in einem eindrucksvollen Plädoyer mit dem Titel „Deutsches gefährliches Narrativ“, das in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 2021 erschienen ist, darauf hingewiesen, dass zur Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft zunächst einmal schnell alle Produktionsformen für die Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff genutzt werden müssen. Es geht ja um eine große Zahl von Endverbrauchern, um Tankschiffe, Pipelines und Lager. Dabei wird es auch um Wasserstoff gehen, der unter Abspaltung von CO2 hergestellt wurde. Wir müssen unsere deutsche Sonderrolle aufgeben und auch bei uns unterirdische CO2-Speicher zulassen. Das sollte den bisherigen Gegnern leichter fallen, weil immer deutlicher wird, dass diese Technologie für eine CO2-Neutralität weltweit als unverzichtbar angesehen wird.

Es gibt keine Leistungen des Staates, die sich nicht auf Verzichte des Volkes gründen. (Ludwig Erhard, 1963)

Die Aufgabe des Staates in dieser Entwicklung muss sich auf zwei Themen konzentrieren: Zum einen muss mit öffentlichen Geldern der Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur schnell umgesetzt werden; zum anderen muss für eine längere Übergangszeit importierter Wasserstoff aller Produktionsformen akzeptiert werden. Der sogenannte „blaue“ Wasserstoff (hergestellt mit Erdgas) muss zumindest bis 2040 dem grünen Wasserstoff gleichgestellt werden. Diese Schritte in Kombination mit einem wirkungsvollen CO2-Preis sollten das Schiff in Fahrt bringen.

Der „schwarze Teil“ eines solchen Kompromisses für eine zukünftige Regierung muss allerdings sein, dass auf weitere detaillierte Vorgaben und auf Verbote verzichtet wird. Es lohnt sich hier, Frau Professor Grimm direkt aus ihrem Plädoyer zu zitieren: „Die einen wollen sehr stark lenken durch Ordnungsrecht, also Verbote und Politikplanung. Andere setzen auf marktwirtschaftliche Instrumente. Persönlich denke ich, dass die bevorstehende Transformation so komplex ist, dass man ordnungsrechtlich den richtigen Weg kaum abstecken und die notwendige Dynamik auslösen kann. Insofern sind die marktwirtschaftlichen Instrumente naheliegend.“ So könnte daraus etwas werden.


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