Andreas Schirmer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ludwig-Erhard-Stiftung, entdeckt ein Sommerloch.

Da braut sich was zusammen, zumindest wenn man den Vorhersagen des Handelsblattes – immerhin über zwölf Seiten – (Nr. 141, Wochenend-Ausgabe vom 25./26./27. Juli 2014) trauen will: Eine unheilige Allianz aus Deutscher Bundesbank und Deutschem Gewerkschaftsbund plant Lohnsteigerungen. Was ist geschehen?

Eine Delegation der Bundesbank unter Führung von Chef-Volkswirt Jens Ulbrich hat die Berliner Zentrale des DGB besucht. Davon wissen beide Pressestellen, zumindest auf den einschlägigen Internetseiten der beiden Institutionen, bislang nichts zu vermelden. Zum Glück gibt’s ja auch noch das „Enthüllungsmagazin“ DER SPIEGEL (Ausgabe 30/2014, Seiten 58ff.)! Dort raunt es unter der Überschrift „Ende der Bescheidenheit“: „Das Treffen vom 26. Juni fand sich in keiner Terminvorschau, keine Pressemitteilung machte darauf aufmerksam“.

Ulbrich und seine Kollegen hätten beim Treffen mit Gewerkschaftern diese – mehr oder minder deutlich – aufgefordert, bei den anstehenden Tarifrunden deutlich höhere Löhne zu verlangen. Das sorgte für Aufmerksamkeit, weil die Bundesbank seit Jahrzehnten als Verfechterin von Lohnzurückhaltung gilt. Gemutmaßt wird, das Inflationsziel der EZB – annähernd zwei Prozent – solle mittels der Löhne in Deutschland wieder an diesen Wert herangerückt werden, denn die Teuerung in der Euro-Zone liegt seit Längerem unter dieser Marke. Im Juni 2014 betrug die Teuerung in Deutschland 1,0 Prozent, in der Eurozone 0,5 Prozent. Daher gebe es von Seiten der Bundesbank Befürchtungen, dass die Konjunktur in eine Abwärtsspirale von sinkender Nachfrage, nachlassender Investitionen und fallender Löhne rutscht. Lohnsteigerungen könnten dieser Deflationsgefahr entgegenwirken, indem sie den Konsum und in Folge die Inflation ankurbeln. Reiner Hoffmann, Vorsitzender des DGB, weist darauf hin, dass allein die Tarifpartner über Löhne verhandeln würden. Insbesondere beim Lesen des umfänglichen Handelsblatt-Beitrags – Infografiken sowie Pro- und Kontrapositionen zu Lohnsteigerungen inklusive –, ergibt sich zusammenfassend: Genaues weiß man nicht.

Ludwig Erhard meinte einst vor Jahr und Tag: „Gerade in den Phasen einer ruhigen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung würden die Arbeitgeber volkswirtschaftlich richtig und psychologisch klug handeln, wenn sie die Löhne entsprechend der Produktivitätsverbesserung aus eigener Initiative anzuheben bereit wären, womit der für Preissenkungen verfügbare Spielraum nicht völlig aufgezehrt werden darf. In der krassen Alternative wäre der Preissenkung der Vorzug vor der Lohnerhöhung zu geben.“

Und was nimmt der geneigte Leser aus der Handelsblatt-Diskussion mit? Eher wenig. Die Bundesbank betont unverändert die Preisstabilität, der DGB schwört auf die Tarifautonomie. Ansonsten: Viel Spekulation und noch mehr Konjunktive; es grüßt wohl das Sommerloch.

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