Die Koalitionsausschüsse tagen nun zu allen möglichen Themen und Aufgaben. Eine zentrale Frage hat die Sondierungsvereinbarung sehr weit an den Anfang gesetzt. Da heißt es: „Daher sollen im ersten Jahr der Regierung alle notwendigen Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden, um private wie staatliche Investitionen schnell, effizient und zielsicher umsetzen zu können. Unser Ziel ist es, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren.“ Das ist ein lobenswertes Ziel, aber es braucht einschneidendere Veränderungen, um es zu erreichen.

Ganz ohne Vorarbeiten gehen die Koalitionäre da nicht hinein. Auch wenn die Grünen in der Vergangenheit viel Erfahrung in Planungsverlangsamung gesammelt haben, wissen sie genau, wo die Stellschrauben sind. Wenn Sie die Energiewende hinbekommen wollen, werden sie jetzt auf Beschleunigung umstellen müssen. Was für ein Windrad und eine Stromtrasse gilt, muss dann auch für ein Gaskraftwerk, einen Radweg und sogar eine Umgehungsstraße gelten. Das ist nur die öffentliche Seite, auf der privaten Seite ist der „Tesla-Standard“ das Ziel.

Warum dauert bei uns alles so lang? Letztlich haben alle Diskussionen der letzten Jahrzehnte immer mehr Hürden aufgebaut. Der Staat hat sich aus einer demokratisch legitimierten Prioritätensetzung zurückgezogen. Der berüchtigte Kammmolch hat wegen seiner Seltenheit in ganz Deutschland unzählige öffentliche und private Baustellen lahmgelegt. Nur um ihn zu zählen, wurden ganze Gebiete mit Kunststofffolie umzäunt und wochenlang gesperrt. In Hessen wurde eine Straßenplanung erheblich verzögert, weil der Molch sich in einer aufgegebenen Panzerwaschstraße eingenistet hatte, die somit zum Naturschutzobjekt deklariert wurde. Ihr eigenes Naturschutzargument ist den Grünen dann nicht opportun, wenn zum Beispiel hunderte von Bürgerinitiativen nach Vögeln suchen, die von einem Windrad erschlagen werden könnten, um dort den Bau zu verhindern.

Natürlich könnten Genehmigungen in einem halben Jahr für viele Projekte erteilt werden. Eine wichtige Weichenstellung dafür wäre die Genehmigungsfiktion: Wenn eine der oft unzähligen Behörden, die an einer Genehmigung beteiligt sind, sich nicht binnen einer kurzen Frist meldet, hat sie ihr Einspruchsrecht verwirkt. Im hessischen Baurecht läuft für Bauverfahren innerhalb des Ortes nach vollständigem Eingang aller für die Prüfung erforderlichen Bauvorlagen eine dreimonatige Bearbeitungsfrist. Wird innerhalb dieser Frist keine Entscheidung getroffen, gilt die Baugenehmigung als erteilt. Für Windräder, die an Standorten nur ersetzt werden, kann das ebenso gelten wie für Radwege. Und mit einer Frist von sechs Monaten geht das auch für größere Projekte. Aber die Koalitionäre müssen per Gesetz entscheiden, dass grundsätzlich ein öffentliches Interesse an den Baumaßnahmen besteht. Das ist bis jetzt nicht der Fall.

Der ehemalige hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) hat schon im Sommer den Entwurf eines Maßnahmengesetzes für den Deutschen Bundestag vorgelegt, nach dem auf der Basis einer gut begründeten Dringlichkeit der Bundestag selbst Baurecht schaffen und durchsetzen kann. Natürlich gibt es auch fachliche Anhörungen und Bürgerbeteiligungen. Aber danach ist der Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen und nur noch das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Grundrechtsverstöße vorliegen. Die Verkehrsprojekte zur Deutschen Einheit wurden so verwirklicht und das Instrument steht auch heute für Energie- und Verkehrsinvestitionen zur Verfügung. Dann wird gebaut. Auch hier gilt wieder, es liegt an der Politik, die Prioritäten festzulegen. Machbar ist vieles.

Ich habe hier Beispiele mit hessischem Bezug genannt, da ich diese besonders gut einschätzen kann. Es gibt bestimmt auch andere Vorschläge. Dies soll nur zeigen, an Ideen mangelt es nicht. Bisher fehlte der politische Wille. Wir werden sehen, ob aus dem zitierten Satz die Hoffnung wird, dass sich tatsächlich etwas ändert.

Die vielen Pläne der Koalitionäre im Allgemeinen funktionieren nur, wenn es der Wirtschaft gutgeht. Dazu gehört eine lange Liste wichtiger Projekte bei Infrastruktur, Energiewirtschaft und Industrie. Die kann der Staat allein nicht verwirklichen, aber er sollte ihnen auch keine Steine in den Weg legen. Wir werden sehen, ob das funktioniert.

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