Die Aufregung um Pegida in Dresden ist abgeflaut – und hat doch Deutschland verändert. Erinnern wir uns an Januar: Einige Bürger demonstrieren – und die Republik steht Kopf. Selten gab es eine derartige Diskrepanz zwischen dem, was ist, eine verhältnismäßig kleine Demonstration namens Pegida, und einem Proteststurm dagegen; angeführt vom Bundespräsidenten, der Kanzlerin, gefolgt von den Spitzen der Kirchen, Gewerkschaften und vor allem: von den Medien. Nicht was ist, ist wichtig, sondern was daraus politisch und medial gemacht wird – als Vorstufe zu neuen Aktionen.

In der Kritik stehen seither Medien. In diesem Zusammenhang hat mich der Präsident des Sächsischen Landtages, Dr. Matthias Rößler, zu einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Medien und Politik eingeladen. „Politik und Medien – bürgernah und ehrlich!?“ – So hat Rößler, einer der mutigen Bürgerrechtler der DDR, den Titel des „Dresdner Gesprächskreises im Ständehaus“ formuliert. Rößler war wegen „falscher Weltanschauung“ beruflichen Behinderungen in der DDR ausgesetzt. Nach der Wende und als Politiker in Sachsen war er einer der Initiatoren bei der Gründung des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden, in dem totalitäre Strukturen und ihre Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft erforscht werden. Diese Fragen beschäftigen ihn weiter – insbesondere im Zusammenhang mit Pegida.

Wie fair sind Medien und Politik?

Die Fragen sind offensichtlich: Gehen die Medien mit Protest fair um – oder ist es nicht vielmehr ein beliebter Trick, Kritik in die rechte Ecke zu drängen und damit zu kriminalisieren? Ist nur linker Protest erlaubt? Wird Gewalt durch den extrem linken „Schwarzen Block“ der sogenannten „Antifa“ toleriert und durch Teilnahme beispielsweise des Justizministers Heiko Maas sogar gefördert – nicht-konforme aber mit aller öffentlich möglichen Härte verfolgt? Oder ist das nur Selbstmitleid? Es ist jedenfalls eine Absage an Medien und Politik.

Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, fasst die Stimmung zusammen: „Wir reden nicht mehr mit der Politik und den Medien“, so schilderte er die Überzeugung der Dresdner Demonstranten, „ihr hört uns doch sowieso nicht zu.“ Damit sei der „Tiefpunkt für unser politisches System erreicht“. Recht hat er. Ohne Kommunikation und Diskussion ist das Ende eines demokratischen Systems erreicht.

Es ist der Tiefpunkt des deutschen Journalismus. Die Medienverachtung führt zur totalen Verweigerung. Vorbei die Zeit, in der jeder Demonstrant seine Visage oder sein Plakat in jede Kamera hielt und auch noch Oma grüßte. Medien werden heute so wahrgenommen, wie wir es eigentlich nur noch aus der DDR kennen: „Ein Schni“ – das war die Zeiteinheit, die man brauchte um die Glotze auszuschalten, wenn Karl-Eduard von Schni—tzlers schwarzer Kanal auf den Schirm kam.

Selbst Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT, spürt in den deutschen Medien „einen besorgniserregenden Hang zum Gleichklang“. Er schreibt weiter: „Es besteht jedenfalls überhaupt kein Zweifel, dass wir in Deutschland gerade eine Vertrauenskrise erleben: Viele Menschen fragen sich: Wem soll ich überhaupt noch glauben, an wen kann ich mich halten? Das betrifft Unternehmen genauso, wie es – seit den dramatischen Turbulenzen an den Finanzmärkten 2008 – die Banken betrifft. Es gilt für die Kirche nach ihren Missbrauchsfällen und anderen Skandalen, es gilt für die Politik sowieso und ganz besonders, und es gilt für den Journalismus, der wiederum durch eigene Fehlleistungen Vertrauen eingebüßt hat.“

Abschirmung als Selbstschutz

Möglicherweise ist aber auch die lange bewährte Methode der Ausgrenzung vermeintlich Rechtsradikaler dabei, an ihr Ende zu gelangen, und gleichzeitig verstärkt sich die Abschottung, die Verweigerung der Teilnahme an einem Diskurs, der als unfair empfunden wird. So beklagt Der Spiegel in seinem aktuellen Heft in einem Bericht über evangelikale Christen außerhalb der rotgrün-gewirkten Amtskirche, dass sich abgeschlossene Gruppen bilden würden, die durch Medien und Amtskirche nicht mehr erreicht würden. Die langjährige Kulturbeauftragte des Rates der EKD, Petra Bahr, beobachtet die Entwicklung mit Sorge, zitiert sie Der Spiegel: „Mitten in einer offenen Gesellschaft wachsen geschlossene Milieus, abgeschottet vom Rest, mit tiefer Skepsis zu großen Institutionen, Rechtsstaat und Demokratie“ (Nr. 21/2015, Seiten 29 ff.)

Tatsächlich: Das Misstrauen gegen Institutionen und ihre Vertreter scheint zu wachsen, und die Abschirmung ist Selbstschutz. Denn schon das Lesen einer bestimmten Zeitung kann als Zugehörigkeitsausweis zum Rechtsradikalismus genommen werden – noch einmal Der Spiegel über einen angeblich „rechten“ Evangelikalen: „Hartmut Steeb ist dafür das beste Beispiel. Der Generalsekretär der Evangelischen Allianz ist auch Interviewpartner der ’Jungen Freiheit‘.“

„Der Spiegel“ ist ein Spiegel der Gesellschaft. Und da gilt Lektüre offensichtlich bereits als Indiz des Außenseitertums. Das erinnert eher an Diktaturen und nicht an eine Gesellschaft, in der nicht nur die Meinung frei, sondern auch der Zugang zu Medien frei sein sollte, jedenfalls nach Artikel 5 Grundgesetz. Da heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ Aber ist Unterrichtung noch möglich, wenn man Gefahr läuft, dafür Ansehen und wie in anderen Fällen Job und Amt zu verlieren?

Dieser Beitrag von Roland Tichy, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, ist bereits auf rolandtichy.de erschienen.

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