Vor Kurzem hat der amerikanische Präsident seine Rede zur Lage der Nation gehalten. Es war auch eine Wahlkampfrede, die versuchte, die Stimmung der Bürger aufzunehmen. Eine sehr amerikanische Rede eben. „Wir werden sicherstellen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt. Die Lieferkette beginnt in Amerika“, sagte er. Bundeswirtschaftsminister Habeck und sein französischer Kollege waren gerade in den USA, um zu versuchen, diesen Akt des Protektionismus abzuwehren und sie haben Recht damit.

Aber sie waren nicht sehr erfolgreich. Es wird bei einem 369-Mrd.-Dollar-Paket zur Förderung der US-Wirtschaft bleiben. Das wird Investitionen aus Europa abziehen und europäischen Unternehmen den Export erschweren. Wie sollen wir darauf reagieren?

Die Antwort lautet: Gelassen!

Dafür gibt es mindestens vier gute Gründe:

1. Besonders Deutschland lebt von offenen Grenzen. Bei allem Ärger von Russland bis China brauchen wir keinen Handelskrieg mit den USA, selbst wenn uns das „Buy American“ zu Recht mal wieder auf die Nerven geht. Europa wird mit der Aufrechterhaltung des freien Handels mehr Investitionen auslösen und innovativer werden als unter immer weiterer Ausschaltung des Wettbewerbs.

2. Die Summe von 369 Milliarden Dollar klingt gewaltiger, als sie wirklich ist, denn sie ist auf 10 Jahre verteilt. Wir sollten in Erinnerung behalten, dass der reguläre siebenjährige Haushalt der EU (2021–2027) ein Volumen von rund 1.211 Milliarden Euro hat. Hinzu kommt das in der Pandemie beschlossene Sonderbudget „Next Generation EU“ mit weiteren 807 Milliarden Euro (bis 2026). Insgesamt sind auf EU-Ebene rund 2.000 Milliarden Euro vorgesehen. 30 Prozent des EU-Haushalts sind laut Kommission für den Kampf gegen den Klimawandel eingeplant. Von 723 Milliarden Euro im Corona-Wiederaufbaufonds sind sogar 40 Prozent für ökologische Investitionen vorgesehen. Wir sollten uns also nicht wundern, wenn die Amerikaner das Herrn Habeck entgegenhalten.

3. Die wirklichen Probleme unserer Wirtschaft liegen an ganz anderen Stellen. In den USA ist an günstiger Energie kein Mangel. In Deutschland reden die Behörden von Programmen zur Rationierung von Energie, ob bei der Industrie oder an der privaten Ladestation und der häuslichen Wärmepumpe. In den USA kommt die Unterstützung einfach als Steuerabzug, bei uns muss man durch zwei Ebenen von Genehmigungsverfahren, national und bei der EU-Kommission, was jahrelange Verzögerungen auslösen kann. Niedrigere Steuern wären ein Argument. Aber schon 2017 hatten die USA ihre Gewinnsteuer für Unternehmen von 35 auf 21 Prozent deutlich gesenkt. Zurzeit vertraut auch noch kein Unternehmen darauf, dass Genehmigungen in der Geschwindigkeit à la LNG-Terminals bei uns erhofft werden können. Da liegen die Chancen im Wettbewerb.

4. Die jetzt von der EU installierten Programme zuzüglich der nationalen Subventionen im Rahmen des „Doppel-Wumms“ verursachen einen Schuldenberg, der auf keinen Fall weiter steigen darf, weder in Deutschland noch in Europa. Auch hier sind die USA uns weit voraus. Ein schrumpfender europäischer Kontinent mit begrenzten Wachstumsaussichten darf sich auf einen solchen Wettbewerb zu Lasten der Kinder und Enkel nicht einlassen.

Wir können selbstbewusst den Wettbewerb bestehen

Alles, was die europäischen Regierungen in Washington erreichen, um die Märkte offen zu halten, hilft der ganzen freien Welt. Aber wir können stark genug sein, den Wettbewerb auch gegen den aktuellen US-Protektionismus zu gewinnen. Wenn man genauer hinhört, geben sich ja auch die meisten Industrien relativ entspannt; allerdings werden die Automobil- und die Wasserstoffindustrie besonders hart zu kämpfen haben.

Präsident Biden kämpft um die soziale Stabilität seines Landes. Krisenzeiten treffen auf US-Bürger ohne den Schutz der sozialen Komponente der Sozialen Marktwirtschaft. Die Realeinkommen der amerikanischen Mittelschicht sinken seit vielen Jahren. Der Verlust des Jobs bedeutet auch den Verlust der Krankenversicherung. Viele Eltern können sich die Schulbildung ihrer Kinder nicht mehr leisten. Es soll kein Missverständnis geben, die USA werden eine starke Wirtschaftsnation bleiben, und wir sollten sehr ernsthaft hoffen, dass es so kommt. Wir erleben ja gerade, wie abhängig wir von der Fähigkeit und dem Willen der USA sind, unsere Freiheit in Europa zu verteidigen.

Respekt vor der Stärke darf hier nicht in Angst und Panik umschlagen. Unsere eigene Stärke hängt von unserem eigenen Wollen ab. Kluge Wirtschaftspolitik, Unternehmertum, dass sich lohnt, soziale Stabilität und das Vertrauen auf eine sehr gut ausgebildete Bevölkerung sind unsere Vorteile. Sie wiegen mehr als eigener Protektionismus und immer mehr Subventionen.

Auf Ludwig Erhards Rat hören

Bei einer Rede in Stockholm am 23. März des Jahres 1963 sagte Ludwig Erhard:
„Denn nur, wer im Wettbewerb steht und wer auch unter dem harten Zwang eines weltweiten Wettbewerbs zu immer höherer Leistung angespornt wird, wer deshalb nicht ruhen und rasten darf, um sich in dieser Welt zu behaupten, wird auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gedeihen und bestehen können.


Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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