Seit gestern stehen weitere 200 Milliarden Staatsschulden als Reaktion auf den aktuellen Energiekrieg im Raum. Allerdings nur als Überschrift. Konkretisierung hoffentlich in 10 Tagen. Die endlose Beratungszeit der Regierung ist im Augenblick ein Brandbeschleuniger der Krise. Bürger haben Angst, sie könnten ihren Lebensunterhalt nicht mehr finanzieren und erwarten konkrete Hilfe. Mehr noch stehen unzählige Unternehmen vor der Frage, ob sie die Energiekrise wirtschaftlich überleben. Von den schließenden Bäckereien hat jeder gehört, aber es sind viele Unternehmen in vielen Sparten, die gerade über Stilllegung, Kurzarbeit und/oder Verlegung ins Ausland nachdenken. Hier kostet jeder Tag, an dem die Regierung wortlos dem ökonomischen Niedergang zusieht, Arbeitsplätze und Wohlstand.

Die Hoffnung, dies alles sei nur ein böser Traum, ist nur allzu verständlich. Aber in Wahrheit sind es die Kosten eines Krieges, in den Putin auf diese Weise auch uns verwickelt hat und aus dem wir uns nur heraushalten können, wenn wir unsere eigene Freiheit riskieren. Die Antwort auf diesen „bösen Traum“ scheint für viele in einfachen Antworten wie einem Energiepreisdeckel zu sein, soviel lesen wir jetzt auch in den Erklärungen der Bundesregierung. Das ist aber ein Trugschluss. Thomas Straubhaar hat in der Welt vom 28. September (https://www.welt.de/wirtschaft/plus241287639/Gas-und-Strom-Mit-dem-Preisdeckel-wird-es-fuer-die-Deutschen-noch-teurer.html) eindrucksvoll dargestellt, dass ein Preisdeckel Gas in Deutschland weiter verteuern und Einsparungen verhindern würde. Der staatlich regulierte Preis ist die teuerste Lösung. Und er macht Deutschland zum Opfer internationaler Rohstoffspekulanten.

Aber so wie es ist, kann es nicht bleiben. Deshalb ist das große Rettungspaket der Regierung in seinen gigantischen Summen im Grundsatz durchaus berechtigt. Es sind Kriegskosten, die da gerade entstehen, und die Regierung verdient Milliarden an der Inflation. Sie muss außerdem einen Weg finden, die Schuldenbremse im nächsten Jahr nicht mehr zu lockern.

Am kommenden Wochenende soll eine von der Regierung eingesetzte Kommission darüber beraten, was mit dem Geld konkret geschehen soll. Das ist reichlich spät, aber ohne Rat von außen scheint die Koalition bewegungsunfähig. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Kommission unter dem Vorsitz von Veronika Grimm angesichts der regierungsseitig unpräzisen Aussagen  die Freiheit nehmen, ein marktorientiertes, ganzheitliches, einfaches und schnell administrierbares Konzept vorzulegen.

Insofern ist dieser Kommentar hoffentlich eine Gedankenskizze für die Diskussion der kommenden Tage. Auch Ludwig Erhard wäre sicher weite Wege gegangen, um die Krise nicht zu einer Staatskrise werden zu lassen. Das erfordert Geld und Pragmatismus. Folgende Punkte sollten auf die Tagesordnung:

Erstens: Nachdem die Energiekosten der staatlichen Hilfeempfänger schon richtig adressiert sind, geht es um die Mittelschicht der Einkommensbezieher. Hier sind Energiekostenzuschüsse notwendig, die den überwiegenden Teil der Erhöhung im Vergleich zum vergangenen Jahr absorbieren. Gleichzeitig ist eine attraktive Prämie für eingesparte Gasmengen geboten.

Zweitens: Die Wirtschaft benötigt kurzfristig Liquiditätshilfen. Da sind jetzt keine sechs Wochen mehr Zeit für komplizierte Gesetzgebung. Die vom Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vorgeschlagene Aussetzung der Vorauszahlung von Körperschafts- und Einkommenssteuer für die kommenden Monate wäre kein Geschenk, sondern die Einräumung der notwendigen Zeit fürs Umsteuern und einen Ausgleich. Es ist die einzige Hilfe, die „auf Knopfdruck“ funktionieren würde.

Drittens: Darüber hinaus werden nahezu alle Betriebe den Status als „Energieintensiver Betrieb“ erhalten müssen. Eine Verzehnfachung des aktuellen Gaspreises macht dann leicht untragbare 30 Prozent des Umsatzes aus! Der weit überwiegende Teil der Preisdifferenz zum vergangenen Jahr muss auch hier erstattet werden. In diesem Jahr muss Deutschland ca. 160 Milliarden Euro mehr für Gas ausgeben, darauf nimmt das Paket der Bundesregierung zu Recht Rücksicht. Die Schaffung eines Sondervermögens hat hier sicher Vorzüge. Wahrscheinlich wird es in geringerem Umfang Anpassungshilfen und Einspar-Prämien auch noch im kommenden Jahr geben müssen. In den darauffolgenden Jahren könnte eine moderate Gasabgabe über längere Zeit diese Ausgaben im Sondervermögen tilgen.

Viertens: Der Gasmarkt muss wieder funktionsfähig werden. Vor allem wir Deutschen mussten Gas um jeden Preis kaufen und haben so einige Spekulanten reich gemacht (die übrigens niemals eine „Übergewinnsteuer“ zahlen werden). Über einige Monate macht ein freiwilliges Einkaufskartell beim Ankauf einen Sinn. Es bedarf zwar einer Genehmigung der Wettbewerbsbehörden, aber keiner weiteren gesetzlichen Regelungen. Alle großen europäischen Spieler würden sich da schnell und ohne Zwang zusammentun. Der Weltmarktpreis muss das Ziel sein. Das bedeutet natürlich trotzdem Preissteigerungen und wird angesichts des Ausfalls des russischen Billig-Gases immer noch eine Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft sein. Je effizienter diese Schritte sind, umso geringer sind die in 2023 zu zahlenden Anpassungskosten.

Es bleibt festzuhalten, dass jedes Kernkraftwerk und jedes moderne Kohlekraftwerk, das in diesem Jahr nicht am Netz ist und jedes Windrad und jede Biogasanlage, die künstlich gebremst werden, die oben genannten Punkte teurer macht. Es ist faszinierend zu beobachten, wie lange manche zu dieser Erkenntnis brauchen und sogar ein betriebsbereites Kernkraftwerk noch abgeschaltet wird!

Es geht um den Beweis, dass die freiheitliche marktwirtschaftliche Ordnung sowohl einem Kriegstreiber wie Putin die Stirn bieten als auch das Überstehen des finanziellen Schocks für Bürger und Wirtschaft sichern kann. Mit der im Raum stehenden Summe ist das sicher machbar. Aber es geht auch darum, diese Herausforderung mit den Instrumenten der Marktwirtschaft zu bewältigen. Wenn viele Beamte in ganz Europa gerade darüber beraten, welche Preise sie anordnen sollen oder nicht, wie es bei den fragwürdigen „Übergewinnsteuern“ ja schon passiert, dann ist das ganz sicher der falsche Weg. Es geht auch marktwirtschaftlich!


Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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