
Das süße Gift der Subventionen bleibt ein Gift!
Unlängst fand in Köln die Gamescom, eine der weltweit größten Messen für Computerspiele, statt. Es ist eine Verbeugung vor dem großen deutschen Markt, dass sich die Hersteller aus der ganzen Welt hier versammeln. Gleichzeitig fordert der Verband der deutschen Games-Branche Subventionen in Höhe von 125 Millionen Euro – nachdem diese Sparte in diesem Jahr bereits rund 70 Millionen erhalten hatte – sonst, so der Verband, würden auch noch die aktuellen vier Prozent Markanteil deutscher Produkte verschwinden.
Vor wenigen Tagen wurde die Bewilligung einer Subvention von rund 10 Milliarden Euro für eine Intel-Chip-Fabrik in Sachsen-Anhalt bekannt. Etwa fünf Milliarden Euro bekommt ein taiwanesischer Chiphersteller, der bei Dresden ein Werk bauen möchte. In Schleswig-Holstein soll eine Chip-Fabrik in Itzehoe eine Subvention von 370 Millionen Euro erhalten. Für eine Batteriefabrik in Heide stehen 150 Millionen bereit.
Zur gleichen Zeit fordern große Industrieunternehmen einen „Industriestrompreis“, also zumindest für einige Jahre eine Subvention des Strompreises. Die übrige Wirtschaft hat dafür zwar Verständnis, fordert aber eine Gleichstellung bei den Subventionen. Nur nachrichtlich ist zu erwähnen, dass der gesamte Mietwohnungsbau ohne neue Subventionen offenbar unbezahlbar geworden ist.
Die große Sympathie für Staatszuschüsse
Fast jeder dieser Staatszuschüsse trifft auf öffentliche Sympathie. Sie helfen in Regionen mit Problemen, sie schaffen oder erhalten Arbeitsplätze, und deshalb wagt keine Partei so richtig, zu protestieren. Aber merken wir eigentlich, was da passiert? Das klassische Kriterium marktwirtschaftlicher Erfolge ist die Durchsetzung im Markt und die Chance, gute Gewinne zu erzielen. Und dies aus eigener Kraft! Derzeit aber scheint ein neuer Konsens zu entstehen, dass Erfolg ohne Staatszuschuss in Deutschland nicht mehr möglich ist.
Oft wird dieses Denken damit entschuldigt, dass es sich ja um Einzelfälle handele. Aber, wie oben gezeigt, stimmt das nicht. Aus dem vermeintlichen Einzelfall, zur größeren Unabhängigkeit bei der Mikro-Chip-Produktion Milliarden zu zahlen, ist längst ein weiterer Präzedenzfall einer nicht enden wollenden Kette von Einzelfällen geworden.
Wettbewerbsfähigkeit kann nicht am Staatsgeld hängen
Offensichtlich haben sehr viele Unternehmen ohne staatliche Finanzierung kein Interesse, nach Deutschland zu kommen und auch deutsche Unternehmen sehen offenbar bei den entstehenden Kosten für sich keine Chance am Markt. Die Regierungen verdecken mit Steuergeld eine sehr breite, wenn nicht flächendeckende, Wettbewerbsunfähigkeit der innovativen Wirtschaft am Standort Deutschland. Die Innovationskraft ist nach wie vor da, aber die Investitionen gehen in andere Länder.
Der Ersatz der richtigen Rahmenbedingungen durch immer mehr Subventionen ist eine Sackgasse. Der Staat ruiniert seine Finanzen, und die Standortbedingungen werden nicht verbessert. Aktuell dient der Energie- und Klimafonds, der zurzeit mit über 200 Milliarden Euro gefüllt ist und dem durch die CO2-Abgabe immer mehr Mittel zufließen werden, als Honigtopf. Das ist der nächste schwere Fehler. Diese Mittel müssen für den Ausgleich der höheren Kosten der Klimatransformation bei den einzelnen Bürgern, genannt Klimageld, eingesetzt werden. Jetzt sagt die Bundesregierung aber, dass dafür nach den großzügig verplanten sonstigen Ausgaben vorläufig kein Geld mehr da ist. Die Erhöhung des Preises für CO2 und die Zahlung eines Ausgleichs an die Bürger gehören jedoch untrennbar zusammen. Die notwendige weitere deutliche Erhöhung der CO2-Abgabe ohne das Klimageld löst ganz sicher soziale Spannungen aus und zerstört die Akzeptanz der Marktmechanismen im Umweltschutz.
Noch wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass Deutschland sich mit jedem dieser Schritte mehr aus der internationalen Wettbewerbsfähigkeit verabschiedet. Subventionierte Preise sind unehrliche Preise. Sie erlauben Regierung und Bevölkerung, auf möglicherweise schmerzhafte Veränderungen zu verzichten, obwohl nur diese Veränderungen die Gründe für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit beseitigen können.
Es gibt zu viele Mogelpackungen, wo Lösungen gebraucht werden
Nur einige wenige Beispiele, wo wir uns mit dem süßen Gift der Staatssubvention ersparen, die Herausforderungen jetzt anzunehmen:
- Der sogenannte „Brückenstrompreis“ ist eine Mogelpackung: In einer gestern vom Handelsblatt veröffentlichten Analyse sieht man, dass mit der jetzigen Politik der Strom bei uns auch 2045 noch teurer sein wird als in allen anderen Wettbewerbsländern. Strom muss billiger werden. Wir brauchen einen offenen europäischen Strommarkt. Der Staat muss seine im europäischen Vergleich viel zu hohen Abgaben auf Strom weitestgehend abbauen, zugleich in den kommenden Jahren die immensen Kosten des Netzausbaus als öffentliche Infrastruktur finanzieren. Das wären Beiträge zur langfristig verlässlichen Strompreisbildung.
- Wirtschaft und Politik müssen sich ehrlich machen, auf welche Industrien wir nach den Grundsatzentscheidungen zur Klimapolitik dauerhaft verzichten müssen. Grundlagenchemie und Stahlproduktion haben derzeit aufgrund der natürlichen Voraussetzungen und aufgrund der politischen Rahmenbedingungen mehr Chancen in anderen Ländern. Hier sind Investitionen in Bildung und Ausbildung, regionale Strukturprogramme und vielfältige Lockerungen der engmaschigen Wirtschaftsvorschriften notwendig. Da die Regierung keine Ahnung haben kann, was die Branchen und Unternehmen der Zukunft sind, muss das Geld in die Gestaltung der Rahmenbedingungen fließen.
- Deutschland ist nicht nur wegen der Energiepreise zu teuer. Es sind auch die Kosten der Arbeit und die Kosten der Sozialkassen. Wir werden schnell wöchentlich und im ganzen Leben mehr arbeiten müssen, um zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren und anbieten zu können. Das ist schmerzhaft, aber weit weniger gefährlich als strukturelle Arbeitslosigkeit.
- Deutschland ist zu kompliziert. Deshalb müssen Gesetze auf den Prüfstand. Da wird gerade ein zaghafter Start der Regierung sichtbar; aber den Meldeschein im Hotel abzuschaffen, ist bestimmt zu wenig.
Wir müssen unseren Wohlstand mit energiearmen Industrien und Lebensweisen gestalten. In einer ohnehin alternden Gesellschaft mit nur begrenzter Zuwanderung müssen die Ressourcen an den Stellen mit der höchsten zukünftigen Wertschöpfung gebunden werden.
Das Geld gehört in bessere Rahmenbedingungen, nicht in einzelne Unternehmen
Das Staatsgeld gehört in die Infrastruktur. Leistungsfähige Verkehrswege für Menschen und Waren sind ebenso wichtig wie Stromtrassen und gute Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Das Geld gehört durch Steuersenkungen und Klimageld in die Taschen der Bürger und Unternehmen.
Diese Überlegungen zur subventionsarmen Rückkehr zu einer führenden Rolle auf vielen Märkten erfordern Kraft und politischen Mut. Die eingangs erwähnte deutsche Spieleindustrie hat einen Anspruch auf flexibleres Arbeitsrecht, geringere Steuern (gerade auch für Start-Up-Unternehmen), Befreiung von Bürokratie und eine offene Forschungslandschaft; aber eben keinen Anspruch auf manipulierte Wettbewerbsfähigkeit durch Staatsgeld. Wir haben tolle IT-Spezialisten im Land. Wenn sie trotz der Verbesserung der Rahmenbedingungen noch Subventionen brauchen, dann müsste der Staat das „Nein-Sagen“ lernen.
Das süße Gift der Subventionen bleibt ein Gift. Es gibt bessere Lösungen!
Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch ist Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.
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