Auch wenn die Pandemie nahezu jeden sonstigen Gedanken an die Zukunft zu lähmen scheint, wird diese Zukunft kommen. Also lohnt es sich, neben der aktuellen Krisenbewältigung ein erhebliches Maß an Zeit darauf zu verwenden, was in den nächsten Jahren zu tun ist, um Freiheit, Wohlstand und soziale Sicherheit zu erhalten und zu stärken.

Während sich die größte Regierungspartei offensichtlich Zeit lässt, bevor sie über die Zukunft sprechen will, kommen andere Parteien aus den Startlöchern: Ob es einem gefällt oder nicht, dem Programm der Grünen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie sind die programmatischen Herausforderer der bisher regierenden Parteien, und angesichts der Schwäche der SPD wird die Auseinandersetzung zwischen der zur Zeit ebenfalls angeschlagenen Union und den Grünen stattfinden. Nach dem Wahltag wird man vielleicht feststellen, dass es darum ging, wer die Nase vorn hat und den Kanzler stellt.

Betrachtet man das Wahlprogramm der Grünen, bleibt es bei allen pragmatischen Anwandlungen ein linkes Programm. Die Grünen trauen dem Staat viel zu und misstrauen der privaten Initiative. Verglichen mit den Grünen in Berlin, die eine Verstaatlichung der Wohnungswirtschaft unterstützen, gibt sich das Programm eher gemäßigt. Es lohnt sich, auf die Nuancen zu schauen. Da ist nicht mehr von der Abschaffung des Verbrennungsmotors, sondern von der Abschaffung des „fossilen“ Verbrennungsmotors die Rede; da soll die Schuldenbremse „verändert“, aber eben nicht abgeschafft werden.

Viele sprechen darüber, ob eine Zusammenarbeit von Schwarz und Grün nach einer Bundestagswahl möglich sein könnte. Auch wenn die Umfragen große Turbulenzen zeigen, wird das ein Thema bleiben. Die Ludwig-Erhard-Stiftung hat in einer neu begonnen Diskussionsreihe für die Mitglieder und den Freundeskreis der Stiftung den ehemaligen Grünen-Politiker Ralf Fücks und das Stiftungsmitglied Friedrich Merz gebeten, die Chancen eines gemeinsamen Regierungsprogramms der beiden Parteien zu diskutieren. Daraus wurde eine inspirierende und spannende Diskussion. Beide Diskutanten dürfen nicht einfach mit den beiden Parteien gleichgesetzt werden, aber sie kennen ihre Pappenheimer. Und bei beiden kann man erkennen: Sie glauben, aus einer solchen Zusammenarbeit könnte einiges werden. Merz sieht positive Ansätze im Programm der Grünen, und Fücks räumt unumwunden ein, dass der Staat die Herausforderungen der Zukunft nicht allein bewältigen kann, der Markt also gebraucht wird.

Der Druck der Mehrheit der Wähler, die ökologischen Herausforderungen ernster zu nehmen, als dies in den letzten Jahrzehnten geschah, ist offensichtlich. Die Grünen wird das in die Regierung tragen. Aber die Impulse für mehr Marktwirtschaft müssen von außen kommen, das ist kein grünes Herzensanliegen. Wir in der Erhard-Stiftung sind überzeugt, dass klare Zielsetzungen und vor allem das Schaffen von Verhaltensanreizen für Produzenten und Konsumenten – bei möglichst sparsamem Einsatz detaillierter Vorschriften – der schnellste, weil systematisch sauberste Weg zu einem besseren Schutz unseres Planeten sind. Man hätte in der Vergangenheit – etwa beim Thema CO2-Bepreisung – mutiger sein und eine marktkonforme Zertifikate-Lösung statt Produktionsverbote wählen müssen.

Wer an diesem Abend Fücks und Merz zuhörte, bekam eine Idee davon, dass eine gemeinsame Basis für so dringend notwendige große Schritte zur Modernisierung unserer Gesellschaft nicht ausgeschlossen ist. Natürlich wollen die Grünen ganz große Staatshaushalte und höhere Steuern für diejenigen, die sie die Reichen nennen. Da wird die Entscheidung wichtig, wer der Kapitän auf dem Boot ist. Auch wenn man Konstellationen der Zukunft erahnen kann, sind die zentralen Fragen offen. Deshalb müssen wir erwarten, dass sich die Parteien bei ihren Programmen Mühe geben und dass sie so klar formulieren, dass der Wähler sieht, in wessen Hände er das Erfolgsmodell Soziale Marktwirtschaft legt.


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