Schon rätselhaft, dass bei VW niemand von den manipulierten Diesel-Programmen gewusst haben will. Ein Blick auf die Corporate Governance des Unternehmens zeigt: Damit steht es nicht zum Besten bei dem seltsamen Gebilde.

Was bleibt von VW? Der Gigant wird gerupft. Die 18 Milliarden in der Kasse werden für Strafen und Nachrüstung für die Diesel-Lüge nicht reichen. Wer zahlt dann? 40 Prozent haben die Aktionäre über Kursverluste schon verloren – und die Steuerzahler: Ein Fünftel von VW gehört dem Land Niedersachsen. Bald fehlt dem Bundesland das VW-Geld in der Kasse. Muss VW Porsche verkaufen (brächte 40 Milliarden) oder die Lastwagen von MAN/Scania? Wie viele neue Werke in Asien sind noch finanzierbar? Gesundschrumpfen statt wachsen?

Und was ist dann mit den Arbeitsplätzen? Da ist die Antwort einfach. „Die Arbeitnehmer haben damit nichts zu tun“, sagt der Chef der IG Metall Detlef Wetzel. Kriminelle Manager seien da am Werk gewesen. Stimmt. Der Mann am Band hat damit wirklich nichts zu tun – seine Gewerkschaft dafür aber umso mehr.

Was wusste die Gewerkschaft?

In keinem anderen deutschen Unternehmen sind die Gewerkschaften so stark wie bei VW. Gebaut wurde das VW-Werk von der „Deutschen Arbeitsfront“ – der Nazi-Gewerkschaft. Als die britische Besatzungsmacht 1949 das von ihnen beschlagnahmte VW-Werk an das Land Niedersachsen und den Bund übergab, erhielten die Gewerkschaften besondere Einflussrechte: als Entschädigung für Vermögen, das ihnen die Nazis abgenommen haben.

Unter Bundeskanzler Ludwig Erhard wurde der Bundesanteil privatisiert. Die „Volksaktie VW“ entstand, sollte dazu beitragen, die Arbeitnehmer von der gesetzlichen Rentenversicherung etwas unabhängiger zu machen. Niedersachsen hielt an seinem Einfluss fest. So richtig in der Marktwirtschaft kam VW durch die Blockadehaltung von Land und IG Metall nicht an. Später übernahmen dann noch die Familien Porsche und Piëch wesentliche Anteile. VW wurde zum Zwitter: Einfluss des Staates und Gewerkschaft einerseits, ein bisschen Familienunternehmen andererseits. Für Kunst der guten Unternehmensführung kein Vorbild.

Denn tatsächlich gibt die IG Metall bei VW den Ton an – und ihr Einfluss darauf, wo ein Werk verändert, gebaut oder geschlossen wird, ist sogar in einem eigenen Gesetz zementiert.

Einfluss der Gewerkschaft von unten und von oben

Dann noch die Mitbestimmung – die Hälfte der Aufsichtsräte, also der Unternehmenskontrolleure, stellt die Gewerkschaft. Im Präsidium des Aufsichtsrats, der Machtzentrale, entscheiden der langjährige IG-Metall-Boss Berthold Huber, Betriebsratschef Bernd Osterloh und sein Stellvertreter Stephan Wolf; dazu noch der gewerkschaftsnahe Ministerpräsident von Niedersachsen Stephan Weil. Nur Wolfgang Porsche vertritt das Kapital. Vier zu eins für Gewerkschaft und Politik. Die IG Metall ist Herr im Hause VW – regiert von unten, über die Betriebsräte, und kontrolliert sich selbst von oben, über den Aufsichtsrat.

Damit ist VW nicht nur schlecht gefahren. Etwa als in den 1990ern der Konzern in die Pleite torkelte. Da setzten die Gewerkschaften und ihr Personalvorstand Peter Hartz durch, dass nur noch 24 Stunden statt 40 gearbeitet wurde – und die Löhne schrumpften. Keine Abfindung für Entlassungen – und Ferdinand Piëch konnte mit den gesparten Löhnen VW zum Giganten machen. Es gibt Grund zu der Annahme, dass manche Gewerkschaftler dem brutalstmöglichen Sparpaket nur zustimmten, weil ihnen Prostituierte aus Brasilien in die weichen Betriebsratsbetten gelegt wurden.

Und heute will keiner was vom Diesel-Schwindel gewusst haben? Da lachen ja die Hühner. Der VW-Skandal trifft damit gerade die IG Metall. Die nennen sich stolz die weltgrößte Gewerkschaft – clever, top informiert und knallhart. Wenn jetzt Gewerkschaftschef Wetzel einen Kulturwandel fordert, dann deutet sein Zeigefinger auf VW – aber die anderen Finger zeigen auf den Gewerkschaftsfilz. Das Ganze erinnert auch an die Neue Heimat: In den 1970ern landeten die stolzen Gewerkschaftsunternehmen von Coop bis zum Wohn-Konzern Neue Heimat in der Pleite – aus einer seltsamen Mischung aus Miss- und Spezlwirtschaft, garniert mit Selbstbedienung und Ignoranz.

Kein gutes Zeichen für die Zukunft von VW.

Dieser Beitrag ist in einer kürzeren Fassung auch in der Bild am Sonntag erschienen.

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