Aktivisten wollen den Kapitalismus überwinden, um Umwelt und Klima zu retten. Das ist schon einmal versucht worden: in der DDR. Hubertus Knabe beschreibt die Folgen des Sozialismus, die für Mensch und Umwelt verheerend waren.

Seit dem Untergang der DDR hat sich der Zustand der Umwelt im Beitrittsgebiet stark verbessert: Die Staubbelastung ist zwischen 1990 und 2017 um 81,8 Prozent zurückgegangen; bei Schwefeldioxid betrug der Rückgang 94,3 Prozent. Der Ausstoß von Kohlenmonoxid ging um 77,5 Prozent zurück, der von Kohlendioxid bis 2018 um 30,8 Prozent. Smogalarm in Berlin oder stinkender Nebel in der Nähe sächsischer Industrieanlagen gehören heute ebenso der Vergangenheit an wie rauchende Schlote im Ruhrgebiet.

Ähnliches gilt für die Belastung der Gewässer. Bei den Nährstoffen ging der Eintrag von Stickstoff im Vergleich zu den 1980ern um mehr als die Hälfte zurück, bei Phosphor sogar um 70 Prozent. Bei den Schwermetallen sank der Eintrag von Chrom, Kupfer, Nickel und Zink ebenfalls um mehr als die Hälfte und der von Blei, Cadmium und Quecksilber um über 70 Prozent. Paddelverbote werden heute nicht mehr verhängt, um Flusswanderer vor ausgasenden Chemikalien zu schützen, sondern damit Biber und andere Tiere nicht gestört werden.

Bei fast allen Schadstoffen trat der größte Rückgang in den frühen 1990ern ein. Damals kam es in der Bundesrepublik insgesamt zu einer fulminanten Reduktion der Umweltbelastungen. Die wichtigste Ursache dafür war das Ende der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR. So merkwürdig es klingt: Die Friedliche Revolution vor 30 Jahren war der bislang effektivste Beitrag zum Umweltschutz in Deutschland.

Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

In der Diskussion über die Folgen der Erderwärmung wird diese Erfahrung ausgeblendet. Viele Umweltschützer halten die Marktwirtschaft für das ökologische Grundübel. „Wir müssen den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang und seinen Ausbeutungsmechanismen überwinden“, heißt es in einem von Abgeordneten der Grünen und der Linken unterzeichneten Aufruf der Bewegung „Ende Gelände“, in dem zur Blockade des Braunkohletagebaus Garzweiler aufgerufen wurde. Bei einer Demonstration in Berlin postierten sich Aktivisten von „Fridays for Future“ vor dem Reichstag mit einem Transparent „Capitalism kills“.

Ein Blick auf die Geschichte macht deutlich, dass die Überwindung des Kapitalismus keineswegs zu einem sorgsameren Umgang mit den natürlichen Ressourcen führt. Die DDR-Führung behauptete zwar, nur im Sozialismus könne der Mensch im Einklang mit der Natur leben, da hier die Produktion nicht mehr von der Profitgier der Konzerne, sondern von den Bedürfnissen der Gesellschaft bestimmt werde. Doch in der Praxis war der SED-Staat einer der größten Umweltverschmutzer der Erde.

Kein anderes Land in Europa stieß so viel Schwefeldioxid und Staub aus wie die DDR. Pro Einwohner gelangten im Jahr 1988 313 Kilo SO2 und 132 Kilo Staub in die Luft – 17-mal so viel wie in Westdeutschland. Vor allem in den südlichen Bezirken litt fast jedes zweite Kind unter Atemwegserkrankungen, beinahe jedes dritte an Ekzemen. Beim Ausstoß von CO2 war die DDR mit 21 Tonnen pro Einwohner ganz vorn dabei. Gleichzeitig trug sie nur wenig zu dessen Abbau bei, weil 54,3 Prozent der Waldfläche 1989 geschädigt waren. Als dreckigster Ort Europas galt das Dorf Mölbis in der Nähe des Braunkohlekraftwerks Espenhain, in dem es regelmäßig nach faulen Eiern stank und dichte Rauchschwaden die Sonne verdeckten.

So merkwürdig es klingt: Die Friedliche Revolution vor 30 Jahren war der bislang effektivste Beitrag zum Umweltschutz in Deutschland.

Auch die Gewässer der DDR waren schwer belastet. 1989 war nach amtlichen Messungen fast die Hälfte aller größeren Flüsse biologisch tot. Sie wurden von der Industrie als Abwasserkanäle genutzt, kein anderes Flusssystem in Europa war so vergiftet. Auch ein Viertel der Seen und Talsperren war so verschmutzt, dass aus ihnen kein Trinkwasser gewonnen werden durfte. Berüchtigt war der „Silbersee“ südlich von Wolfen, dessen Grund von einer zwölf Meter dicken Schlammschicht mit Schwermetallen bedeckt war. Fast die Hälfte der DDR-Bürger erhielt beim Aufdrehen des Wasserhahns zeitweise oder ständig kein sauberes Trinkwasser.

Fragt man nach den Ursachen für die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Sozialismus, kommt man auf einen Punkt, den Umweltaktivisten selten reflektieren: Effektiver Umweltschutz kostet Geld, das durch eine wettbewerbsfähige Produktion erwirtschaftet werden muss. Die Innovations- und Produktivitätsschwäche der Planwirtschaft, in der das Streben nach Gewinn ausgeschaltet war, führte in der DDR zu einem Mangel an Investitionsmitteln, der sich im Umweltschutz verheerend auswirkte. Nur 1,7 Prozent aller wirtschaftlichen Investitionen flossen in Umweltmaßnahmen. Der Bau von Rauchgasentschwefelungsanlagen und Staubfiltern blieb ebenso auf der Strecke wie der von Kläranlagen und funktionsfähigen Abwasserkanälen. Schadstoffe gelangten ungefiltert in die Umwelt.

Oft verfügte die DDR nicht einmal über die Instrumente zur Messung der Belastungen. Um diese herzustellen, fehlte ihr das Know-how, und um sie im Ausland zu kaufen, das Geld. Als das Ost-Berliner Zentrum für Umweltgestaltung von Hewlett-Packard das erste und einzige Massenspektrometer der DDR geliefert bekam, konnte es damit erstmals Spuren von Dioxinen oder Furanen nachweisen. Doch auch an schlichten mechanischen Geräten mangelte es. So erhielt Dresden erst Ende 1989 ein Gerät zur Reinigung der verschlammten Abwasserkanäle – als Geschenk der Stadt Hamburg.

Umweltinstitute nicht denkbar

Auch die Annahme, dass mehr auf die Umwelt geachtet werde, wenn die Betriebe nicht in privater Hand seien, entpuppte sich als Irrtum. Die Verstaatlichung der Wirtschaft in der DDR führte dazu, dass eine Gruppe von Funktionären bestimmte, wofür die menschlichen und materiellen Ressourcen eingesetzt wurden. In der Praxis erwies es sich nicht nur als unmöglich, das komplexe System einer Volkswirtschaft ohne freien Markt effizient zu lenken. Vielmehr agierte die SED auch in ständiger Furcht vor der Bevölkerung, da diese für jeden Versorgungsmangel die politische Führung verantwortlich machte.

Die wirtschaftlichen Planvorgaben hatten deshalb Vorrang vor den Belangen des Umweltschutzes. Der von der Volkskammer beschlossene Jahresvolkswirtschaftsplan besaß Gesetzeskraft, bei Verstößen drohten Geld- oder sogar Haftstrafen wegen „Sabotage“. Zur Lenkung und Kontrolle der Staatswirtschaft bedurfte es zudem einer riesigen Bürokratie, die in vielen Bereichen die berühmte „organisierte Verantwortungslosigkeit“ hervorbrachte. Wenn ein Staubfilter oder eine Kläranlage nicht funktionierte, wurde das schulterzuckend zur Kenntnis genommen.

Dieser fahrlässige Umgang mit der Natur wurde dadurch erleichtert, dass Umweltdaten in der DDR der Geheimhaltung unterlagen. Gemäß einer Anordnung des Ministerrats von 1982 war bereits deren Erhebung genehmigungspflichtig. Erhobene Daten mussten, je nach Belastungssituation, fünf, zehn oder 15 Jahre geheim gehalten werden. Störfälle, selbst prognostizierte Grenzwertüberschreitungen waren als „Staats- und Dienstgeheimnis“ zu behandeln. Um Proteste zu verhindern, ließ die Führung die Bevölkerung über das Ausmaß der Belastungen im Unklaren – und setzte sie damit massiven gesundheitlichen Gefahren aus.

Unabhängige Umweltinstitute waren im Sozialismus undenkbar, erst recht regierungskritische Umweltorganisationen. Selbst zugelassene Gruppen wurden durch Spitzel überwacht. Erst recht galt dies für die rund 40 Umweltgruppen unter dem Dach der Kirche. Höhepunkt ihrer Verfolgung war die Erstürmung der Ost-Berliner Umweltbibliothek 1987, bei der die Umweltschützer sogar verhaftet wurden. Als im Herbst 1989 die Mauer fiel, endete die rücksichtslose Vergiftung der natürlichen Umwelt im DDR-Sozialismus.

Dr. Hubertus Knabe ist Historiker und leitete von 2000 bis 2018 die Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.

Dieser Beitrag aus der „Welt“ vom 29. August 2019 ist gekürzt und leicht bearbeitet im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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