Die Sicherung von Arbeitsplätzen dient häufig als Argument zur Rechtfertigung staatlicher Eingriffe in den Markt, die den Wettbewerb beschränken. Auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder begründete im November 1999 seine Entscheidung, das Bauunternehmen Philipp Holzmann staatlich zu subventionieren, mit der Rettung von rund 17.000 Arbeitsplätzen. Doch der Plan ging nicht auf: Die Arbeitsplätze bei Holzmann gingen schon drei Jahre später verloren, als das Unternehmen trotz Subventionen schließen musste. Die staatliche Hilfe hatte die Insolvenz nur aufgeschoben.

Nun ist es also wieder soweit: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat gestern per Ministererlaubnis die Übernahme des angeschlagenen Lebensmitteleinzelhändlers Kaiser`s Tengelmann durch Edeka erlaubt, die vor einem Jahr vom Bundeskartellamt verboten worden war. Gabriel begründet seine Entscheidung mit dem Ziel, 16.000 Arbeitsplätze erhalten zu wollen. Mit der Ministererlaubnis sind Auflagen verbunden, wodurch für die Angestellten von Kaiser`s Tengelmann unter anderem eine Beschäftigungsgarantie für die nächsten sieben Jahre gegeben ist. Professor Daniel Zimmer sieht in der Erlaubnis eine Fehlentscheidung des Ministers und ist deshalb gestern von seinem Amt als Vorsitzender der Monopolkommission zurückgetreten. Die Monopolkommission hatte sich wie das Bundeskartellamt gegen die Fusion ausgesprochen.

Am Ende zahlt der Verbraucher

Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl gehört, teilen den Lebensmitteleinzelhandelsmarkt weitgehend unter sich auf. Ihr Marktanteil beträgt zusammen 85 Prozent. Kritiker befürchten, dass Edeka nach der Fusion die Einkaufspreise diktieren wird, worunter vor allem die Erzeuger von Lebensmitteln leiden würden. Zwar besitzt Kaiser`s Tengelmann mit seinen 451 Filialen bundesweit einen Marktanteil von nur 0,6 Prozent, doch konzentrieren sich die Filialen auf die drei Regionen Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Edeka wiederum hat ein sehr dichtes Filialnetz, sodass das Unternehmen in diesen Regionen mit Kaiser`s Tengelmann bisher im Wettbewerb stand. Sollten sich in Zukunft zwei Filialen in einem Ort nicht mehr rentieren, liegt die Vermutung nahe, dass dann die Edeka-Filiale geschlossen wird und dort die Arbeitsplätze abgebaut werden. Denn für die Angestellten bei Edeka gilt die Arbeitsplatzgarantie nicht.

Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, so Bundeswirtschaftsminister Gabriel. Das nützt jedoch den Verbrauchern wenig, die letztendlich durch weniger Auswahl und höhere Preise den Schaden tragen werden. Damit fällt erneut eine wirtschaftspolitische Entscheidung der Bundesregierung beim Ludwig-Erhard-Test durch, da sie den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft widerspricht. Für Ludwig Erhard stand der Verbraucher im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Geschehens. Er war überzeugt, dass „das System der freien Unternehmungswirtschaft“ sozial ist, weil es „gewährleistet, dass jeder wirtschaftliche Erfolg, wo immer er erzielt wird, im harten Wettbewerb an den Verbraucher weitergegeben wird. Auf diese Weise erfüllt die Wirtschaft ihren einzig möglichen Zweck: Sie ist Dienerin des Volkes“.

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