Marktwirtschaft entspreche nicht dem heutigen Zeitgeist, und dem sei nur schwer entgegenzuwirken, so Bruno S. Frey. Er schlägt vor, statt genereller Lobpreisung der Marktwirtschaft ihre Vorzüge an konkreten Beispielen aufzuzeigen.

Ein großer Teil der Öffentlichkeit, insbesondere die junge Generation, ist von den Gedanken des Klimawandels, des Rassismus und der Diversität fasziniert. Hingegen zeigt eine informelle  Umfrage unter Studierenden, dass sie kaum eine Ahnung haben, was Marktwirtschaft ist. Ludwig Erhard sagt ihnen nichts.

Auch wenn diese Ahnungslosigkeit erschreckt, sollte sie zur Kenntnis genommen werden. Die Verdienste der Marktwirtschaft in der Vergangenheit hervorzuheben, ist weitgehend wirkungslos. Für die junge Generation ist dies fast so weit entfernt wie die  Bauernkriege. Die Vorzüge einer auf offenen Märkten gründenden Volkswirtschaft müssen vielmehr konkret aufgezeigt werden.

Das Verhalten der Politiker

Auch für viele Politiker ist „Marktwirtschaft“ heute ein Fremdwort. Ihr Handeln zielt auf unmittelbare und sichtbare Erfolge, mit denen sie ihre Wähler beeindrucken können. Dieses Verhalten wird in der aktuellen Pandemie gut sichtbar: Unabhängig von der Entwicklung der Infektionszahlen erweist sich ein strenger Lockdown und damit ein Abwürgen der wirtschaftlichen Tätigkeit für Politiker als vorteilhaft.

Erstens, wenn danach die Infektionszahlen und Sterbefälle an oder mit Corona zunehmen, betonen die Politiker, die Lage wäre noch viel schlimmer, wenn sie keine derart einschränkenden Maßnahmen unternommen hätten. Zweitens, wenn danach die Infektionen und Todesfälle zurückgehen, behaupten Sie, die Verbesserung der Lage gehe auf ihre Maßnahmen zurück.

Wird hingegen die wirtschaftliche Tätigkeit nicht abgewürgt und die Infektionszahlen und Todesraten steigen, befinden sich die Politiker in einer ungünstigen Situation. Die schlechte Lage wird ihnen angelastet, und sie werden fast sicher von den Wählern durch Stimmentzug bestraft werden.

Wird dagegen auf einen Lockdown verzichtet und die Infektionszahlen und Todesraten sinken und die wirtschaftliche Tätigkeit erholt sich, wird dieses günstige Ergebnis als selbstverständlich
unterstellt. Es fällt den Politikern schwer — oder ist nahezu unmöglich —, die Verbesserung der Wirtschaftslage auf ihr Handeln zurückzuführen.

Diese Überlegungen zeigen: Solange der Zeitgeist von einem negativen kausalen Zusammenhang zwischen Lockdown und Ansteckungs- und Todesraten ausgeht, werden Politiker es vorteilhaft finden, die Marktwirtschaft einzuschränken.

Die Einführung der Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard ist umso bemerkenswerter. Viele Verantwortliche waren damals überzeugt, der Staat müsse die Wirtschaft im Einzelnen regeln, um sie wieder in Gang zu bringen. Der Unterschied zu heute ist deutlich: Damals war die Wirtschaftslage schlecht, und deshalb wurde Ludwig Erhard zu Recht als Begründer des raschen Aufstiegs der
deutschen Wirtschaft gepriesen. Das war für ihn auch politisch vorteilhaft; er wurde später Bundeskanzler.

Dem Zeitgeist lässt sich schwer entgegenwirken. Selbstverständlich sollte nach wie vor versucht werden, den jungen Generationen die Vorteile der Marktwirtschaft zu zeigen. Wirksamer dürfte sein, die günstigen praktischen Auswirkungen marktwirtschaftlicher Tätigkeit deutlich zu machen. Es ist dies in bestimmten Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft, wie berufliche Tätigkeit, Konsum, Kultur und Sport, sowie für einzelne Personengruppen zu zeigen. Eine generelle Lobpreisung der Marktwirtschaft ist dagegen wenig erfolgreich.

Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Vorteil Marktwirtschaft“  von Juli 2021 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bruno S. Frey ist ständiger Gastprofessor an der Universität Basel und Forschungsdirektor von CREMA — Center for Research in Economics, Management and the Arts,  Zürich.

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