In Deutschland liegt die Stromerzeugung im Fokus der Klimapolitik: Milliarden von Euro werden in die Förderung der erneuerbaren Energien gepumpt – ohne klimapolitische Wirkung. Justus Haucap fordert deshalb eine fundamentale Reform.

Deutschland will ein international leuchtendes Vorbild in der Klimapolitik sein. Bei vielen Menschen in Deutschland genießt Klimaschutz einen hohen Stellenwert, wie etwa die Popularität der „Fridays for Future“-Bewegung zeigt. Auch das Gros der Ökonomen hält Klimaschutz prinzipiell für ein lohnendes Projekt.

Selbst wenn man nicht vollkommen davon überzeugt sein sollte, dass der durch Menschen induzierte CO2-Ausstoß maßgeblich zum Klimawandel beiträgt, sollte der Versicherungsgedanke überzeugen: Auch wenn ich nicht weiß, ob jemals ein Hochwasser kommt, kann es sinnvoll sein, als reine Vorsichtsmaßnahme einen Deich zu bauen. Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen sind daher nicht nur ethisch, sondern auch ökonomisch prinzipiell gut begründbar.

In Deutschland lag der Fokus der Klimapolitik bisher primär auf der Stromerzeugung: Die Energiewende ist im Grunde eine Stromwende. Schon seit Jahren werden in Deutschland daher Milliarden Euro insbesondere in den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, vor allem in Windkraft und Solarenergie, gepumpt.

Energiewende ist Stromwende

Seit 2015 werden Jahr für Jahr rund 25 Milliarden Euro allein als Vergütungen für den Strom aus erneuerbaren Energien bezahlt. Das funktioniert so: Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber sind dazu verpflichtet, den Strom aus erneuerbaren Energien zu festgelegten Preisen zu kaufen. Sollten sie diesen Strom aufgrund von Engpässen nicht aufnehmen können oder wird der Strom gar nicht benötigt, müssen sie – abgesehen von wenigen Ausnahmen – dennoch zahlen. Für diesen Strom haben die Netzbetreiber 2019 mehr als 33 Milliarden Euro bezahlt – mehr als 150 Euro pro Megawattstunde, mehr als dreimal so viel wie der durchschnittliche Preis für Strom an der Börse.

Dass der Strom aus erneuerbaren Energien in diesem Ausmaß konkurrenzfähig wäre, ist somit ein Ammenmärchen, denn dann bräuchte es keine Subventionen in diesem Ausmaß. Der für 33 Milliarden Euro zwangsweise von den Netzbetreibern eingekaufte Strom aus erneuerbaren Energien wird dann am Markt weiterverkauft; dafür bekamen die Netzbetreiber 2019 knapp sechs Milliarden Euro. Für die Differenz von 27 Milliarden Euro müssen die Stromkunden – in Form der sogenannten EEG-Umlage – aufkommen.

Das wesentliche Dilemma des EEG besteht darin, dass trotz dieser massiven Förderung für den Klimaschutz überhaupt nichts erreicht wird.

Das reine Subventionsvolumen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beträgt mittlerweile mehr als 300 Euro je Bundesbürger pro Jahr; das macht 1.200 Euro für eine vierköpfige Familie. Hinzu kommen Kosten für Netzausbau, erhöhten Ausgleichsenergiebedarf, Offshore- Haftungsumlagen, Investitionsförderungen und vieles mehr. Bereits 2016 ergaben Berechnungen, dass die Gesamtkosten bis 2025 bei über 500 Milliarden Euro liegen werden; das sind mehr als 6.000 Euro pro Bundesbürger.

Haushalte zahlen nur rund ein Drittel der Kosten direkt über ihre Stromrechnung. Zwei Drittel werden zunächst von Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft etc. gezahlt, sodass das ganze Ausmaß der erhöhten Energiekosten den Bürgern nicht direkt ins Auge fällt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Industrie und Handel ihrerseits die höheren Energiekosten über die Preise weiterreichen, sodass die Bürger in Deutschland ultimativ die Kosten tragen, auch wenn sie nicht direkt in ihrer persönlichen Stromrechnung auftauchen.

6.000 Euro pro Bundesbürger ist viel Geld, aber man mag geneigt sein, dies zu akzeptieren, wenn durch die Förderung der erneuerbaren Energien Gutes für die Menschheit erreicht würde. Das wesentliche Dilemma des EEG besteht aber darin, dass trotz dieser massiven Förderung für den Klimaschutz überhaupt nichts erreicht wird.

Verlagerung statt Einsparung

Warum ist das so? Das Leitinstrument der Klimapolitik in der Europäischen Union (EU) ist der sogenannte Treibhausgas-Emissionsdeckel. Für eine Reihe von Branchen wie etwa die Stromerzeugung, die Stahlproduktion, die Zementindustrie, den innereuropäischen Luftverkehr und einige andere Branchen wird EU-weit eine Obergrenze an insgesamt zulässigen CO2-Emissionen festgelegt. Dieser branchenübergreifende Treibhausgasdeckel gilt dann für viele Jahre.

Werden in Deutschland nun die Emissionen in der Stromerzeugung reduziert, so können Unternehmen in anderen EU-Ländern oder auch anderen Branchen in Deutschland ihre Emissionen erhöhen, solange der Deckel nicht erreicht ist. Der massive Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland führt daher nur dazu, dass die deutschen Energieversorgerunternehmen weniger Emissionsrechte nachfragen und so der Preis für diese handelbaren Emissionsrechte fällt.

Ohne eine Stilllegung von Emissionsrechten oder eine anderweitige Kopplung zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Menge an Emissionsrechten verpufft die Förderung der erneuerbaren Energien klimapolitisch somit komplett. Es kommt zu einer Verlagerung der Emissionen, aber es wird keine einzige Tonne CO2 in der EU eingespart.

Verfechter des EEG argumentieren daher regelmäßig in ungewohnt nationalistischem Ton, dass Europa doch bitte den Emissionshandel als Reaktion auf den deutschen Sonderweg in der Energiepolitik ändern möge. Dass ein solches Vorgehen in der EU mit 27 Mitgliedstaaten schlecht möglich und auch nicht sinnvoll ist, erscheint offensichtlich. Stattdessen ist die Forderung bei EEG-Lobbyisten weitverbreitet, alle anderen 26 EU-Mitgliedstaaten sollten sich doch bitte nach der deutschen Politik richten.

Einheitlicher CO2-Preis

Für das EEG wird oftmals angeführt, die massive deutsche Förderung habe erst die globale Kostenreduktion bei Solarpanelen und Windrädern ermöglicht. Dadurch würde nun indirekt auch Klimaschutz in anderen Staaten bezahlbar. Doch auch an diesem Argument gibt es erheblich Zweifel, denn eine andere, marktkonforme Förderung von Forschung und Entwicklung hätte dieses Ziel wohl günstiger erreicht. Außerdem spielt Deutschland als Nachfrager nach Solarpanelen und Windrädern seit 2009 auf dem Weltmarkt nur noch eine untergeordnete Rolle. Weit über 90 Prozent der Nachfrage kommen heute aus China, Indien, den USA, Japan und anderen Staaten. Die Kosten der Energiewende sind aber vor allem seit 2009 explodiert. Schon vor zehn Jahren hätte man daher auf eine technologieneutrale Förderung im Wettbewerbsverfahren umstellen müssen.

Der eindrucksvollste Beleg für den Misserfolg des EEG ist vielleicht, dass einige Wissenschaftler und EEG-Lobbyisten sich nur noch dadurch zu helfen wissen, dass sie mit dezidiert falschen Zahlen in der Öffentlichkeit operieren. Es wäre jedoch dringend an der Zeit, die Klimapolitik fundamental zu reformieren. Kern einer solchen Reform muss ein einheitlicher CO2-Preis sein, gegen den vor allem die Verteidiger einer technologiespezifischen Förderpolitik Sturm laufen. Ein solcher Preis kann über eine CO2-Steuer oder noch besser über die Ausweitung des europäischen Emissionsdeckels erreicht werden.

Ein solcher einheitlicher Preis führt dazu, dass CO2 dort vermieden wird, wo dies am günstigsten möglich ist. Dazu sollte der Emissionsdeckel und -handel auch auf die Bereiche Automobilverkehr, Landwirtschaft und Gebäude ausgedehnt werden – und dafür die bürokratische und innovationsfeindliche Klein-Klein-Regulierung aufgegeben werden. Dies würde das gescheiterte Experiment der Planwirtschaft bei erneuerbaren Energien beenden, sodass es endlich zu einer wirksamen Reduktion von Treibhausgasen käme.

Prof. Dr. Justus Haucap ist Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) und Mitglied der Ludwig-Erhard- Stiftung.

Dieser Beitrag ist zuerst im Heft „Wohlstand für Alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ aus dem Jahr 2020 erschienen. Das Heft kann unter info@ludwig-erhard-stiftung.de bestellt werden; oder lesen Sie es hier als PDF.

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