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„Dieser schrullige Typ mit Zigarre“
03. Feb 2023
VON: GASTAUTOR

„Dieser schrullige Typ mit Zigarre“

Der Journalist Peter Lückemeier hat den Geschäftsführer der Ludwig-Erhard-Stiftung, Marcus Lübbering, portraitiert. Der nachfolgend dokumentierte Beitrag erschien zunächst am 5. Januar 2023 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (Foto: Maximilian von Lange)

Marcus Lübbering (Foto) könnte jetzt einfach Pensionär sein. Wäre da nicht der Anruf von Roland Koch gekommen, dem Vorstand der Ludwig-Erhard-Stiftung, der nach einer Empfehlung für einen Geschäftsführer der Stiftung fragte. Am Ende des Gesprächs fiel die Wahl auf den politikerfahrenen Volkswirt selbst.

Koch und Lübbering verbindet vieles: Zwanzig Jahre lang hatte Lübbering als Ministerialdirigent die Planungsabteilung der Hessischen Staatskanzlei geleitet, erst für Koch, dann unter Bouffier. Für Helmut Kohl führte er in den Neunzigern drei Jahre lang das Redenschreiberreferat im Kanzleramt. Weder auf Kohl noch auf Koch lässt Lübbering etwas kommen.

Für die neue Aufgabe hat der 1955 geborene Rheinländer seinen Arbeitsschwerpunkt nach Bonn verlegt. Oft geht es für ihn auch nach Berlin, wo die Stiftung ihr Gesicht zeigen muss, um bei Politik und Medien im Gespräch zu bleiben. Dies tut sie seit September im „Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft“ mit Sitz in Berlin-Mitte. Die wissenschaftliche Leitung des ordoliberalen thinktanks liegt bei dem überzeugten Marktwirtschaftler und Volkswirtschaft-Professor Stefan Kolev, der aktuell zudem als Research Fellow in Princeton tätig ist.

Aus Kostengründen ist nicht die gesamte Stiftung in die Hauptstadt gezogen, sondern bleibt an ihrem Sitz im einstigen Wohnhaus Erhards in der Bonner Johanniterstraße 8. Als Anschubfinanzierung für das Berliner Forum hat der Bundestag 800 000 Euro für die nächsten zwei Jahre zugesagt – obwohl private Spender im erhardschen sinne sicherlich angebrachter gewesen wären.

Die Botschaft Roland Kochs und seines Geschäftsführers Marcus Lübbering lautet: Die deutsche Wirtschaftspolitik müsse zurückfinden zu „ordnungspolitisch vernünftigen Grundsätzen“. Was das bedeutet, wird im Internet unter www.ludwig-erhard.de erklärt, in Diskussionen und Vorträgen erläutert. Auch der Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik, der zuletzt an den Publizisten Gabor Steingart ging, steht für diese Botschaft. Wöchentlich gibt es den Kommentar „Erhard Heute“, verfasst von Roland Koch und per e-mail an 2000 Empfänger verschickt.

Koch verteidigt darin unter aktuellen Bezügen Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft und verurteilt alle staatliche Bevormundung. Hilfe vom Staat soll es nur für jene geben, die sich nicht selber helfen können. Ins gleiche Horn stößt die Stiftung mit der Zeitschrift „Wohlstand für alle“ mit einer gedruckten Auflage von 120 000 Exemplaren. Die Texte dieses Magazins – zuletzt unter dem Generalthema „Marktwirtschaft kann Krise besser“ – werden tausendfach angeklickt. In der jüngsten Ausgabe wettert Marcus Lübbering gegen einen sich allzuständig fühlenden Staat.

Dabei kann er sich jederzeit auf Ludwig Erhard berufen. Während aber Erhard, der von 1949 bis 1963 vierzehn Jahre lang Bundeswirtschaftsminister war, der älteren Generation noch ein Begriff ist, der für Wirtschaftswunder und Soziale Marktwirtschaft steht, sagt er jungen Menschen heute wenig. Lübbering will ihr Interesse für Erhards Ideen wecken: „Dieser etwas schrullige typ mit der Zigarre – vielleicht können wir den Jüngeren am besten seine Ideen über die Person vermitteln.“

Warum er das Amt dem Ruhestand vorzieht? Es sei in erster Linie die Aufgabe, hinter der er zu hundert Prozent stehen könne – „ich bin ein Grundsatzmann“. Zudem habe ihn gereizt, wieder mit Koch zusammenzuarbeiten. Zu tun gibt es viel. Die Erhard-Stiftung hatte 2020 für negative Schlagzeilen gesorgt, weil der damalige Vorsitzende Roland Tichy sich nicht mehr zur Wiederwahl stellte, nachdem ein Artikel in seinem Onlinemagazin „Tichys Einblick“ als frauenfeindlich kritisiert worden war.

Lübbering sagt, man habe darüber kaum gesprochen. Es sei zu viel zu tun und die Mannschaft zwar schlagkräftig, aber klein. Er selbst, drei Fachreferenten, eine Sekretärin und eine Dame, die sich um das Haus kümmert, arbeiten in Bonn. Der noch immer viel beschäftigte Vorsitzende Koch – Aufsichtsrat, Professor an der Frankfurt school of Finance & Management, Anwalt, Ehrenamtler – kommt etwa einmal im Monat nach Bonn, Lübbering und er telefonieren aber fast täglich.

Networking am Telefon, Veranstaltungen konzipieren, Mitgliederpflege, Publikationen vorbereiten, Zeitzeugen suchen, die noch authentisch über Ludwig Erhard berichten können – Lübbering kümmert sich um eine Fülle an Projekten. Mit Sorge sehen er und seine Mitstreiter, dass es immer weniger ordnungspolitische Lehrstühle gibt und Studierende nur schwer zu erreichen sind, „zumal in einem medialen Umfeld, das zunehmend darauf setzt, dass der Staat alle Probleme löst“. Lübbering, praktizierender Christ, glaubt fest an die Chance des Einzelnen, etwas für sich und andere zu erreichen: „Wir brauchen in der Sozialen Marktwirtschaft selbstverständlich auch erfolgreiche Eliten – freilich solche, die zu dienen bereit sind.“


Der vorliegende Beitrag von Peter Lückemeier erschien zunächst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 5. Januar 2023, Seite 34. Foto: Maximilian von Lachner. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

 
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