Immer wieder einmal taucht beim Smalltalk am Rande von Veranstaltungen oder in Anfragen an die Stiftung die Gretchenfrage auf: War Ludwig Erhard Mitglied der CDU oder war er’s nicht? Eine einfache Antwort ist nicht möglich – und das, obwohl im Archiv der Ludwig-Erhard-Stiftung zwei Ausweise vorliegen, unter anderem ein beinahe druckfrisch wirkender Mitgliedsausweis aus dem Jahr 1968. Dieser Ausweis vermerkt Erhards Mitgliedschaft mit dem Datum „1.3.1949“. Das Datum ist eher verwirrend als erhellend: CDU-Gründungen erfolgten auf Landes- und Kreisebene nach und nach ab 1945. Die Bundes-CDU wurde 1950 auf dem Bundesparteitag in Goslar ins Leben gerufen. Zudem ist der Mitgliedsausweis ohne jede – damals übliche – Klebemarke als Nachweis für gezahlte Beiträge. Ein neuerer, 1971 per Post zugegangener Ausweis ist ebenso wenig aussagekräftig.

Über das Fehlen formaler Zeugnisse seiner Mitgliedschaft wurde – und wird – immer wieder spekuliert. So findet sich im Nachlass Erhard (NE) ein Brief von Konrad Adenauer vom November 1956. Der Bundeskanzler bittet darin unter Berufung auf eine Meldung in der Neuen Rheinzeitung, nach der Erhard kein CDU-Mitglied sei, Erhard solle „…umgehend die Bundesgeschäftsstelle der CDU in die Lage versetzen, die Meldung zu dementieren.“ Eine Antwort Erhards darauf ist nicht dokumentiert, genauso wenig wie ein offizielles CDU-Dementi.

Anders zehn Jahre später: Das Gerücht kursiert, dass Erhard erst in Zusammenhang mit der Übernahme des Parteivorsitzes – er wurde im März 1966 zum CDU-Vorsitzenden gewählt – der Partei beitritt. Im Archiv der Stiftung gibt es die entsprechende Anfrage vom 14. Februar 1966 von Adenauer an Erhard. Erhard antwortet einen Tag später nicht eindeutig: „Angesichts dieser Sachlage (Anmerkung: des Engagements in zahlreichen Wahlkämpfen und als Minister) habe ich dem Besitz des Parteibuches keine Beachtung geschenkt…“ Kurz darauf, am 5. März 1966, findet sich unter anderem in der Saarbrücker Zeitung ein Artikel unter dem Titel: „Muß Erhard Parteibeiträge nachzahlen?“

Ludwig Erhard hat sich persönlich kaum zur Mitgliedsfrage geäußert. Nach eigenem Bekunden ist er offiziell nicht vor 1962 der Partei beigetreten. In einem Interview im Januar 1962 äußert er sich gegenüber zwei Journalisten folgendermaßen: „Also bitte, … das ist jetzt vertraulich: Ich bin’s gar nicht.“ (nachzulesen in: Das Parlament Nr. 21-22 vom 27. Mai 1988, Seite 21). Unklar bleibt, ob danach der Beitritt mit Urkunde und Unterschrift erfolgte.

Und die Moral der Geschichte? Ein exaktes Datum oder eine formelle Aufnahme sind nicht dokumentiert, formelle schriftliche Belege – oder Registrierungen, wie sie inzwischen üblich sind – lassen sich nicht auffinden. Trotzdem dürfte unstrittig sein, dass sich Erhard der CDU zugehörig fühlte – und zu Recht als „Wahlkampflokomotive“ der CDU tituliert wurde. Möglicherweise dokumentiert seine Zurückhaltung in Bezug auf diese Frage aber, dass für ihn Eigenständigkeit mehr Gewicht hatte als die organisierte Parteipolitik.

Literatur zum Thema:

Günter Buchstab, „Soll ich Anmeldeformulare ausfüllen?“, in: Die Politische Meinung Nr. 462, Ausgabe Mai 2008, Seiten 71 ff.
http://www.kas.de/wf/doc/kas_13591-544-1-30.pdf?080619092110

Bernhard Löffler, Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis, Franz Steiner Verlag 2002, Seiten 457 ff.

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