Prof. Dr. Dirk Meyer
Institut für Volkswirtschaftslehre, Lehrstuhl für Ordnungsökonomik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg

Derzeit werden staatsanleihebesicherte Wertpapiere – sogenannte „Europäische Sichere Anleihen“ – diskutiert, mit denen die finanzielle Verflechtung von heimischen Banken und ihren Staaten aufgehoben werden soll. De facto handelt es sich um marktbasierte Eurobonds mit der Gefahr einer Schuldenvergemeinschaftung.

Angesichts politischer und rechtlicher Vorbehalte gegen Eurobonds nehmen der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2016/17 und die EU-Kommission in ihrem „Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion“ von 2017 ein Thema auf, das bereits 2011 durch das Grünbuch der EU-Kommission auf der Grundlage einer Gruppe europäischer Ökonomen unter Markus K. Brunnermeier diskutiert wurde: staatsanleihebesicherte Wertpapiere.

Mit diesen Sovereign Bond-Backed Securities (SBBS) – auch unter der Bezeichnung Europäische Sichere Anleihen (European Safe Bonds, ESBies) geführt – werden zwei Absichten verfolgt: Sie sollen dem Bedarf nach sicheren Anlagen Rechnung tragen und zugleich einen Beitrag zur Finanzstabilität leisten, indem sie helfen, den Teufelskreis zwischen Staatenrisiken und Bankenrisiken zu durchbrechen.

Eurobonds – Ein zunächst gescheiterter Versuch

Eurobonds sind Anleihen, die von Mitgliedstaaten der Währungsunion gemeinsam begeben werden.1Siehe hierzu ausführlich Europäische Kommission, Grünbuch über die Durchführbarkeit der Einführung von Stabilitätsanleihen, KOM (2011) 818 vom 23. November 2011, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-11-820_de.htm. Vgl. auch Dirk Meyer, Eurobonds – Weichenstellung für Europa, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Heft 138 (2013), Seiten 2–4; und derselbe, Eurobonds: politisch erwünscht, ökonomisch sinnvoll, juristisch machbar?, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jahrgang (2014), Heft 5, Seiten 369–375, http://dx.doi.org/10.1007/s10273-014-1681-y oder https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2014/5/eurobonds-oekonomisch-sinnvoll/; sowie Hanno Beck/Dirk Wentzel, Eurobonds – Wunderwaffe oder Sprengsatz für die Europäische Union, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jahrgang (2011), Heft 10, Seiten 717–723. Kritikern gelten sie als ein Instrument zur Vergemeinschaftung nationaler Staatsschulden. Bei einer gesamtschuldnerischen Haftung haftet jeder teilnehmende Mitgliedstaat für einen Forderungsausfall anderer Schuldnerstaaten maximal in Höhe der Gesamtschuld der Anleihe. Bei einer Ausgestaltung als teilschuldnerische Haftung wird die Sicherheitsleistung der jeweiligen Staaten auf ihren Anteil an der Gesamtschuld begrenzt.

Die Motivation insbesondere der hochverschuldeten Mitgliedstaaten scheint klar: Sie kämen noch günstiger an Kredite. Bereits heute führen die Rettungsschirme dazu, dass das Gebot des Haftungsausschlusses (Art. 125 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV) unglaubwürdig ist und der Kreditzins deshalb selbst für die Hochschuldenstaaten nur eine geringe Risikoprämie beinhaltet.

Auch die ablehnende Haltung vornehmlich Deutschlands, Österreichs, der Benelux-Staaten sowie Finnlands ist interessengeleitet: Im Zweifel würden die solventen Mitgliedstaaten für Forderungsausfälle haften müssen. Dies weist auf eine wesentliche Voraussetzung einer Einführung von Eurobonds hin: Um Moral-Hazard-Effekte einer verantwortungslosen Kreditaufnahme zu vermeiden, wäre eine fiskalische Koordination notwendig, für die derzeit keinerlei effektive regulatorische und institutionelle Gegebenheiten bestehen.2Die Einsicht zur Nachbesserung des Regelwerkes nach der Staatsschulden- und Bankenkrise war groß: eine Reform des Fiskalpaktes, die Installierung einer Haushaltsüberwachung und eines Bankenabwicklungsmechanismus. In der Anwendungspraxis hat es wenig gebracht – offensichtliche Verstöße und Ausnahmen wurden zur Regel. Seit der Einführung des Euro 1999 wurde die Defizitquote 109-mal überschritten. Siehe Philip Plickert, Bundesbank: Euroregeln zu weich, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. Juni 2017, Seite 17. In gleich zwei Fällen – Monte dei Paschi di Siena sowie Banca Popolare di Vicenza und Banca Veneto – hat Italien ein Bail-in entgegen den europäischen Leitlinien zur Bankenabwicklung nicht angewandt.

Neben politischen Widerständen gibt es auch erhebliche rechtliche Bedenken gegen Eurobonds. Dies betrifft das europarechtliche Beistandsverbot (Art. 125 AEUV), aber auch das deutsche Haushaltsrecht steht einer Haftungsvergemeinschaftung entgegen. In seinem Urteil vom 7. September 2011 hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, europäische Verpflichtungen müssten sachlich und zeitlich hinreichend spezifiziert sein, um mit dem deutschen Haushaltsrecht kompatibel zu sein.3 Siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2011, 2 BvR 987/10 – 2 BvR 1485/10 – 2 BvR 1099/10, Ziffern 104 f. sowie Ziffern 121–132. „Ein solcher Fall wäre etwa zu besorgen, wenn die Bundesregierung ohne konstitutive Zustimmung des Bundestages in erheblichem Umfang Gewährleistungen, die zur direkten oder indirekten Vergemeinschaftung von Staatsschulden beitragen, übernehmen dürfte, bei denen also der Eintritt des Gewährleistungsfalls allein vom Verhalten anderer Staaten abhängig wäre.“ Ebenda, Ziffer 105. Vgl. auch Dirk Meyer (2013), a. a. O., Seiten 3 f. Entsprechend müssten der Lissabon-Vertrag geändert und die Regelungen zu Eurobonds grundgesetzkonform in deutsches Recht überführt werden.4Abhängig davon, ob eine europäische Schuldenagentur zwischen den Euro-Staaten auf völkervertraglicher Basis vereinbart oder im EU-Recht verankert wird, könnten das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 Abs. 6 EUV) oder aber sogar das ordentliche Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 Abs. 1–5 EUV) notwendig werden, da im letzteren Fall die Kompetenzen der Gemeinschaft erweitert würden. Aufgrund der grundlegenden Bedeutung von Eurobonds für die Wirtschaftsverfassung der EU dürfte die Einführung über eine Vertragsabrundung (Art. 352 AEUV) ausscheiden. Abweichend vgl. Europäische Kommission (2011), a. a. O., Seiten 13 f. Unter den geltenden Rechtsnormen wären Eurobonds allenfalls für Projektfinanzierungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) denkbar. Unter diesen politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen scheint auch die EU-Kommission Eurobonds für nicht realisierbar zu halten, denn in ihren neuesten Strategiepapieren zur Zukunft Europas werden sie als Finanzierungsinstrument nicht mehr aufgeführt.5Siehe Europäische Kommission, Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, 2017, https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/reflection-paper-emu_de.pdf (Abrufdatum 14.06.2017). Dessen ungeachtet hatte der jetzige französische Präsident Emmanuel Macron als damaliger Wirtschaftsminister unter François Hollande Eurobonds kürzlich noch auf seiner Europa-Agenda. Seine heutigen Äußerungen gehen eher in die Richtung von zukünftigen gemeinschaftlichen Projektfinanzierungen.

Wunsch nach sicheren Anleihen

Sichere Anleihen kennzeichnen eine sehr geringe Ausfallwahrscheinlichkeit verbunden mit einer großen Liquidität, wie sie beispielsweise für Staatsanleihen aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und den USA zutreffen. Trotz eines gemeinsamen Euro-Währungsraumes gibt es kein entsprechendes europäisches sicheres Wertpapier.

Zwei Aspekte befördern den Wunsch nach sicheren Anleihen: Als Aktiva sind sie für institutionelle Kapitalanleger wie Banken und Versicherungen wesentlich, um Ansprüche und Verbindlichkeiten in ferner Zukunft hinreichend sicher bedienen zu können. Gerade im Krisenfall werden der Wunsch nach Sicherheit und die Bedeutung dieser Anlagen deutlich. Eine starke Nachfrage lässt die Kurse steigen und die Renditen bis in den Negativbereich sinken.6Neben der Nachfrage nach sicheren Anleihen institutioneller Anleger und den Zentralbanken kommen Nachfrager aus Schwellenländern vermehrt hinzu, die aufgrund der dort wenig entwickelten Finanzmärkte auf sichere Staatsanleihen der USA und europäischer Länder zurückgreifen. Nach Schätzungen sollen die Anleihekaufprogramme zu einer Reduzierung der Rendite für zehnjährige Staatsanleihen um 0,6 bis 1,1 Prozentpunkte geführt haben. Vgl. Gerald Braunberger, Die unstillbare Nachfrage nach sicheren Anlagen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Juni 2017, Seite 28. EU-Staatsanleihen werden aufsichtsrechtlich zwar als sicher behandelt, indem Finanzinstitute diese gemäß Basel III/CRD IV nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen.7Siehe Credit Rating Agencies Regulation (CRD), http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX:32013R0462, 9. April 2015. Siehe auch Kapitel IV „Kapitalpuffer“ Art. 128 ff., speziell Art. 140 der Richtlinie 2013/36/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG. Wie nicht zuletzt die Euro-Rettungshilfen gezeigt haben, sind sie de facto aber mehr oder weniger unsicher.

Damit entsteht ein zweites Problem, denn im Krisenfall bekommt ein Mitgliedstaat ohne jede zeitliche Verzögerung unvermittelt keinen Kredit mehr („Sudden-stop“-Dynamik).8Vgl. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2016/17 – Zeit für Reformen, Paderborn 2016, Ziffer 545. Dieser Zinsanstieg, verbunden mit einer Austrocknung der Anleihemärkte, war für Griechenland Ende 2009 und Ende 2011 zu beobachten, wo in beiden Fällen ein Zahlungsausfall drohte. Die Anleihekurse stürzen ab und die zumeist heimischen Banken als Halter dieser Papiere geraten in Not. Über die Verflechtung der Kapitalmärkte kann es dann zu einer Ansteckung kommen, die in einer doppelten Staaten- und Bankenkrise mündet, die die Finanzstabilität der gesamten Eurozone gefährden kann und erhebliche Rückwirkungen auf die Realwirtschaft haben würde.9 Markus K. Brunnermeier et al. weisen auf die Ursachen dieses Teufelskreises durch die enge Verflechtung zwischen heimischen Banken und Staaten hin. So halten die Banken in Krisenstaaten im Mittel einen Anteil von 80 bis 95 Prozent an heimischen Staatsanleihen bezogen auf ihr gesamtes Staatsanleihen-Portfolio. Auch die Geldhäuser in den eher als ausfallsicher geltenden Staaten halten einen Anteil von 60 bis 70 Prozent; vgl. Markus K. Brunnermeier/Sam Langfield/Marco Pagano/Ricardo Reis/Stijn van Nieuwerburgh/Dimitri Vayanos, ESBies: Safety in the tranches, European Systemic Risk Board, Working Paper Series No 21 (September 2016), Seiten 3 f., https://www.esrb.europa.eu/pub/pdf/wp/esrbwp21.en.pdf (Abrufdatum 22.06.2017). Johannes Pockrandt und Sören Radde zeigen eine stark positive Korrelation von Prämien auf Credit Default Swaps (CDS) von Staats- und Bankanleihen auf, vgl. Johannes Pockrandt/Sören Radde, Reformbedarf in der EU-Bankenregulierung: Solvenz von Banken und Staaten entkoppeln, DIW Wochenbericht 42/2012, Seiten 3–10, https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.409794.de/12-42.pdf (Abrufdatum 27.06.2017).

Funktionsweise von Europäischen Sicheren Anleihen

Europäische Sichere Anleihen10 Entsprechende Anleihen werden von der Europäischen Kommission unter der Bezeichnung Sovereign Bond-Backed Securities (SBBS) behandelt; vgl. Europäische Kommission 2011, a. a. O., Seite 21. – derzeit im Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) erörtert – sollen zur Lösung beider Probleme beitragen. Der Vorschlag dieser staatsanleihebesicherten Wertpapiere beruht auf zwei Prinzipien: Diversifikation und Risikoteilung in Tranchen unterschiedlicher Rangfolge.11Siehe auch Art. 4 Abs. 61 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 zu den Anforderungen für Verbriefungen. In einem ersten Schritt werden Staatsanleihen verschiedener Euroländer anteilig gebündelt, beispielsweise entsprechend ihrem Kapitalanteil an der Europäischen Zentralbank (EZB) oder ihrem BIP-Anteil an der Eurozone. In einem zweiten Schritt werden zwei Tranchen mit unterschiedlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten gebildet: Die Senior-Tranche (beispielsweise 70 Prozent) sind die ESBies mit vorrangiger Bedienung; die Junior-Tranche (30 Prozent) – auch als European Junior Bonds (EJBies) bezeichnet – ist der Sicherheitspuffer für die ESBies.

Im Fall der Insolvenz eines Staates müssen die Gläubiger Wertverluste oder den Totalausfall dieser Tranche zuerst hinnehmen. Den Status einer sicheren Anleihe verlieren die ESBies erst, wenn dieser Puffer aufgezehrt ist. Die für die Nachfrage und die Preisbildung wesentliche Frage lautet: Reicht der Sicherheitspuffer der EJBies aus? Hier wären zwei Varianten vorstellbar: Zum einen könnten bereits beim Ausfall von mehr als 30 Prozent einer Anleihe eines Staates aus dem Pool die ESBies bis zum Totalausfall herangezogen werden. Zum anderen könnte sich der Puffer auf den gesamten Ausfall des Pools von 30 Prozent beziehen – was die ESBies wesentlich sicherer machen würde.

Die Vorteile scheinen offensichtlich: Die von den Banken in den Verbriefungen gehaltenen Staatspapiere wären diversifiziert und das Klumpenrisiko gemildert. Die Verflechtungen zwischen Banken und Staaten wären gelockert, weshalb der Teufelskreis aus Staatsschulden- und Bankenkrise durchbrochen wird.12Simulationsrechnungen von Brunnermeier et al. kommen auch unter der Annahme einer schweren Rezession zu positiven Ergebnissen; vgl. Markus K. Brunnermeier/Luis Garicano/Philip R. Lane/Marco Pagano/Ricardo Reis/Tano Santos/David Thesmar/Stijn van Nieuwerburgh/Dimitri Vayanos (2011), European Safe Bonds (ESBies), Seiten 11 ff. und 24 ff., http://personal.lse.ac.uk/vayanos/Euronomics/ESBies.pdf (Abrufdatum 27.06.2017), sowie dieselben (2016), a. a. O., Seiten 7 ff. Vom Sachverständigenrat wird zum Schutz gegen eine krisenhafte Verflechtung von Banken und Staaten darüber hinaus ein Verbot eines Erwerbs der Junior-Tranche für Banken erwogen; vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545. Erwartungsgemäß wären auch die Liquidität und die Transmission der Geldpolitik verbessert, da die Anleihevolumina größer und eine „Austrocknung“ der Märkte mangels Nachfrage weniger wahrscheinlich werden. In seinem Jahresgutachten 2016/17 sieht der Sachverständigenrat einen „Hauptvorteil der ESBies … in der Schaffung einer sicheren europäischen Wertpapierklasse bei gleichzeitiger Wahrung der Marktdisziplin und ohne explizite Vergemeinschaftung der Risiken“.13Ebenda

Emission durch Private lohnt sich nicht

Die ESBies können von gewerblichen Einrichtungen oder Finanzinstituten (große Banken/Vermögensverwalter/Kapitalanlagegesellschaften) ausgegeben werden. Alternativ kämen auch europäische Institutionen infrage. Warum bieten derzeit keine privaten Emittenten diese Verbriefungen an? Regulatorische Hemmnisse dürften nicht bestehen.14Vgl. Brunnenmeier et al. (2016), a. a. O., Seite 30; die Autoren schlagen allerdings eine Lizensierung der Emittenten vor, um die notwendige Expertise und Seriosität sicherzustellen. Um eine zu geringe Liquidität im Markt und den damit verbundenen Problemen der Preisbildung zu umgehen, könnten Finanzinstitute ein Emittentenkonsortium gründen. Trotzdem scheint eine Strukturierung von europäischen Staatsanleihen privatwirtschaftlich nicht lohnenswert.

Um dies zu prüfen, wird als Referenz die Durchschnittsrendite des gesamten Portfolios an Staatsanleihen (Grundgesamtheit) genommen, denn dieses kann am Markt problemlos erworben werden. Diese Durchschnittsrendite berechnet sich anteilig aus den Renditen der einzelnen Staatsanleihen. Nur wenn die Rendite der beiden durch die Strukturierung geschaffenen Tranchen geringer ist als die Durchschnittsrendite des gesamten Portfolios, kann ein Emittent aus einer Verbriefung einen Gewinn erzielen. Folgende Einflussfaktoren können zu einer Abweichung beider Renditen führen:

  • Die Risikopräferenzen und damit die Sicherheitsäquivalente der Käufer von sicheren ESBies und eher risikobehafteten EJBies unterscheiden sich so weit voneinander, dass sie im anteilig gewichteten Mittel nicht mit dem Sicherheitsäquivalent des Emittenten übereinstimmen. Da durch die Strukturierung speziellen Risikopräfenzen Rechnung getragen wird, kann für die Emittenten eine Prämie erwartet werden. Auch spricht die vermeintlich starke Nachfrage nach sicheren Anlagen hierfür.
  • Eine Informationsgenerierung lohnt sich in der Regel bei segmentierten Märkten mehr als in nicht unterteilten. Ein Mehr an Informationen dürfte die Ausfallwahrscheinlichkeiten, die Ausfallquoten und damit den Schadenerwartungswert genauer prognostizieren lassen. Eine eindeutige Richtung für die Renditen der beiden Tranchen ist nicht vorhersagbar. Aufgrund geringerer Enttäuschungen dürften beide Märkte aber eine stabilere Rendite aufweisen.
  • Eine Segmentierung eröffnet den Käufern von ESBies und EJBies neue relevante Anlagealternativen. Damit steigt ihre Marktmacht, die die Renditen tendenziell erhöhen wird.
  • Als derivate Position birgt die Verbriefung ein Kontrahentenrisiko. Ein möglicher Ausfall eines (privaten) Emittenten würde die Gegenpartei treffen, weshalb diese einen gewissen Risikoaufschlag kalkulieren wird.15Vgl. ebenda, Seiten 30 f.

Die Tatsache, dass keine privaten ESB-Emittenten am Kapitalmarkt auftreten, lässt den Schluss zu, dass eine Verbriefung derzeit keine lohnende Zinsdifferenz aus den originären Staatstiteln und den staatsanleihebesicherten Wertpapieren hervorbringt. Eine mögliche Ursache könnte in der oben geschilderten mangelnden Glaubwürdigkeit des Bail-out-Verbots liegen, die tendenziell eine Verringerung der Zinsdifferenz zwischen den ESBies und den EJBies bewirken dürfte.

Probleme und Kritikpunkte

Den möglichen Vorteilen von ESBies hinsichtlich einer gesteigerten Finanzmarktstabilität stehen verschiedene kritische Einwände entgegen. Zwar ist eine Vergemeinschaftung der Schulden der Mitgliedstaaten – anders als bei Eurobonds – ausgeschlossen, denn es besteht keine nationale Haftung für die strukturierten Anleihen. Allerdings findet eine Vergemeinschaftung von Risikoprämien unterschiedlicher Ausfallwahrscheinlichkeiten statt. Risiken werden umverteilt, nicht aber reduziert. Hochrisikoanleihen (Griechenland) werden mit Nullzinsanleihen (Deutschland) und anderen Staatspapieren zusammengelegt.

Da im Falle einer Krise das Kapital nicht mehr in einzelne als sicher betrachtete Mitgliedstaaten fließt (safe haven), sondern in die sichere ESBies-Tranche, würde die Sicherheitsprämie der AAA-Staaten reduziert werden. Deutschland, die Niederlande und Luxemburg würden zukünftig etwas mehr für ihre Staatskredite zahlen müssen.16Auch Brunnermeier et al. erwarten eine geringere „safe haven“-Prämie für Deutschland. Demgegenüber führen sie für die weniger liquiden Anleihen aus Staaten wie Österreich, Finnland und den Niederlanden an, dass aufgrund des größeren Marktvolumens und einer höheren Liquidität durch die ESBies die Sicherheitsprämie für diese Staaten durchaus auch steigen könnte; vgl. Brunnermeier et al. (2011), a. a. O., Seite 7. Umgekehrt würden Krisenstaaten von einer geringeren Ausfallprämie profitieren und tendenziell länger Zugang zum privaten Kapitalmarkt haben. Der Kreditzins als Maß für das Kreditrisiko von Staaten würde seine Signalfunktion verlieren.

Hinzu kommt, dass das mit den ESBies angestrebte AAA-Rating nach einer Prognose der Agentur Standard&Poors (S&P) kaum zu erreichen sein wird. Da im Falle einer Staatsschuldenkrise keine Unabhängigkeit der Risiken von Anleihen aus Euro-Staaten besteht, insbesondere die Risikostreuung gerade bei Gefahren aufgrund der Krise eines großen Mitgliedstaates wie Italien für die Stabilität der Währungsunion gering ist, wird lediglich ein BBB-Rating für die Seniortranche und ein B- für die Juniortranche prognostiziert.17Vgl. Gerald Braunberger, Wer kauft ein Bündel von Eurostaatsanleihen?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Juni 2017, Seite 25. So stuften S&P zum Höhepunkt der Eurokrise 2011/2012 neun Euro-Staaten in engem zeitlichen Zusammenhang herab.

Europäische Institutionen als Emittenten

Wenn eine Emission durch private Finanzinstitute nicht lohnend und auch ein AAA-Rating unerreichbar scheint, weshalb wirbt die EU-Kommission dann für diese „äußerst innovative“ Konstruktion?18Siehe Europäische Kommission (2017), a. a. O., Seite 21. Die Lösung: Europäische Institutionen wie der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), die Europäische Investitionsbank (EIB), die EZB oder ein zukünftiger Europäischer Währungsfonds und ein Europäisches Finanzministerium/Europäisches Schatzamt kämen auch als Emittent infrage. Damit könnten verschiedene Absichten verbunden werden:

  • Die EZB kann mit den strukturierten Anleihen Offenmarktpolitik betreiben. Zum einen würde sie über Refinanzierungsgeschäfte für einen liquiden (Sekundär-)Markt sorgen und damit die Einführung von ESBies unterstützen. Zum anderen würde der Transformationsprozess der Geldpolitik gestärkt. Schließlich könnte sie die im Rahmen ihrer Anleiheankaufprogramme erworbenen Papiere vor Endfälligkeit aktiv verwalten.
  • Der ESM und die EZB strukturieren ihr Portfolio an Staatsanleihen und verkaufen die Verbriefungen subventioniert. Als Vorteil können sie das Risiko am Markt weiterwälzen, entlasten ihre eigenen Bücher und schaffen freie Kapazitäten für neue fiskalische/monetäre Rettungshilfen. Im Krisenfall könnte der Anteil der Krisenstaaten bei neuen Verbriefungen erhöht werden.
  • Sollte die Junior-Tranche am Markt nicht mehr verkäuflich sein, könnte sie vom ESM oder der EZB selbst gehalten werden, oder es könnten privat emittierte EJBies aufgekauft werden. Die Institutionen wären Käufer der letzten Not für EJBies. Sie würden zur Bad Bank für Europa, bei der Banken ihre ausfallgefährdeten, am privaten Kapitalmarkt nicht mehr handelbaren Staatspapiere unterbringen könnten.19Dies entspräche einem Vorschlag des Chefs der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, dem Italiener Andrea Enria, für eine Bad Bank für Europa. Unterstützung fand diese Initiative durch den Vorsitzenden des ESM, Klaus Regling, und den EZB-Vize Vitor Constancio. Vgl. Markus Frühauf/Werner Mussler, EU-Bankenaufseher fordert Bad Bank für Europa, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Januar 2017, Seite 15.

In den beiden letzten Fällen würden die ESBies vom EU-Emittenten subventioniert. Wenn die marginale Staatsanleihe im Rahmen der EJBies nicht mehr am Markt verkauft werden muss, findet keine risikogerechte Bepreisung statt. Die ESBies wären de facto marktbasierte Eurobonds mit einer Schuldenvergemeinschaftung.

Stärkung der Kongruenz von Entscheidung und Haftung

Was sind die Alternativen? Zunächst einmal ist es nicht die Aufgabe der Euro-Staaten oder einer EU-Institution, sichere Anleihen für Kapitalanleger bereitzustellen. Allerdings fällt es in ihren Verantwortungsbereich, die Finanzstabilität im Zusammenhang mit den staatlichen Kreditnahmen zu gewährleisten und zu fördern. Abschließend werden deshalb Möglichkeiten aufgezeigt, die dieses Ziel verfolgen.

Grundlegend wäre die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Nichtbeistands-Klausel (Art. 125 AEUV), sodass Staaten bei steigenden Ausfallrisiken unverzüglich einen Zinsanstieg für weitere Kredite erfahren. Der Sachverständigenrat schlägt zudem eine regulatorische Entprivilegierung von Staatsanleihen vor, indem diese zukünftig von Banken risikoadäquat mit Eigenkapital unterlegt werden müssten.20Vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545. Kurzfristig würden Banken im Euroraum mit einer Reduzierung ihrer Bestände an Staatsanleihen reagieren, da sich die relative Vorteilhaftigkeit dieser Investition gegenüber anderen Wertpapieren verringern würde. Dies trifft vornehmlich auf Banken der Krisenstaaten zu, die für ihre anteilig hohen Bestände an heimischen, plötzlich regulatorisch als risikoreich bewerteten Staatsanleihen ihr bereits überaus knappes Eigenkapital verwenden müssten. Es käme deshalb eventuell auch zu Notverkäufen entsprechender Bestände, die die Finanzstabilität der Währungsunion gefährden könnte. Deshalb muss dieser Schritt langfristig angekündigt und in Stufen eingeführt werden.21 Vgl. Europäische Kommission (2017), a. a. O., Seite 23. Alternativ oder zusätzlich könnte eine Begrenzung von Risikopositionen durch Staatsanleihen mit einer Einführung von Schwellenwerten für Großkredite erfolgen.22Vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545, und Europäische Kommission, Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden – Der Bericht der fünf Präsidenten, 2015, Seite 14, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/5presidentsreport.de.pdf?4b942c5f6fc385ea3624ec18a85f3fe4 (Abrufdatum 20.10.2015). Klumpenrisiken wären dadurch vermieden.

Eine regulatorische Selbstbindung der Euro-Staaten schlagen Clemens Fuest und Johannes Becker mit sogenannten Verantwortungsbonds (Accountability Bonds) vor.23Vgl. Johannes Becker/Clemens Fuest, Der Odysseus-Komplex, München 2017. Hiernach dürfen Staatsanleihen nur als nachrangig zu bedienende Anleihen begeben werden, sollte das strukturelle Haushaltsdefizit die im reformierten Fiskalvertrag vereinbarten 0,5 Prozent/BIP überschreiten. Für Banken würden diese Staatspapiere weniger attraktiv und müssten gegebenenfalls mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Auch könnte die EZB den Ankauf bzw. die Inpfandnahme dieser Wertpapiere verweigern. Im Ergebnis zielen diese Maßnahmen darauf ab, dass Staaten aus Eigeninteresse zugunsten der Finanzstabilität der Eurozone solider haushalten müssten. Die Kongruenz von Entscheidung und Verantwortung/Haftung würde gestärkt.

Fazit

ESBies werden als ein europäisches sicheres Wertpapier beworben, das ohne eine Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden die finanzielle Verflechtung von heimischen Banken und ihren Staaten aufheben soll. Da im Euro-Währungsverbund keine Unabhängigkeit der Staatenrisiken besteht, dürfte ein AAA-Rating nicht erreichbar sein. Die Bündelung der Risiken hätte einen umverteilenden Zinseffekt: Die als sicher geltenden Staaten würden eine geringere Sicherheitsprämie erhalten; die Krisenstaaten bekämen günstiger Kredit.

Eine privatwirtschaftliche Emission dieser Verbriefungen findet derzeit nicht statt, sodass lediglich EU-Institutionen infrage kommen. Neben einem verbesserten Transformationsprozess der Geldpolitik würden EZB und ESM vorrangig eine fiskalische Unterstützung der Krisenstaaten betreiben, indem sie mit einer Zinssubvention den Absatz dieser Papiere fördern und ihre Kapazitäten für weitere Ankäufe von Anleihen dieser Staaten erhöhen könnten. Von daher sind ESBies marktbasierte Eurobonds mit der Gefahr einer Schuldenvergemeinschaftung.

Demgegenüber werden eine Stärkung des Verursacherprinzips durch die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Nichtbeistands-Klausel sowie eine Entprivilegierung von Staatsanleihen als Alternativen für marktgerechte Renditen für Staatskredite gesehen.

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, herausgegeben von der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn, ISSN 2366-021X

DRUCKEN

Fussnoten

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    Siehe hierzu ausführlich Europäische Kommission, Grünbuch über die Durchführbarkeit der Einführung von Stabilitätsanleihen, KOM (2011) 818 vom 23. November 2011, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-11-820_de.htm. Vgl. auch Dirk Meyer, Eurobonds – Weichenstellung für Europa, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Heft 138 (2013), Seiten 2–4; und derselbe, Eurobonds: politisch erwünscht, ökonomisch sinnvoll, juristisch machbar?, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jahrgang (2014), Heft 5, Seiten 369–375, http://dx.doi.org/10.1007/s10273-014-1681-y oder https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2014/5/eurobonds-oekonomisch-sinnvoll/; sowie Hanno Beck/Dirk Wentzel, Eurobonds – Wunderwaffe oder Sprengsatz für die Europäische Union, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jahrgang (2011), Heft 10, Seiten 717–723.
  • 2
    Die Einsicht zur Nachbesserung des Regelwerkes nach der Staatsschulden- und Bankenkrise war groß: eine Reform des Fiskalpaktes, die Installierung einer Haushaltsüberwachung und eines Bankenabwicklungsmechanismus. In der Anwendungspraxis hat es wenig gebracht – offensichtliche Verstöße und Ausnahmen wurden zur Regel. Seit der Einführung des Euro 1999 wurde die Defizitquote 109-mal überschritten. Siehe Philip Plickert, Bundesbank: Euroregeln zu weich, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. Juni 2017, Seite 17. In gleich zwei Fällen – Monte dei Paschi di Siena sowie Banca Popolare di Vicenza und Banca Veneto – hat Italien ein Bail-in entgegen den europäischen Leitlinien zur Bankenabwicklung nicht angewandt.
  • 3
    Siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2011, 2 BvR 987/10 – 2 BvR 1485/10 – 2 BvR 1099/10, Ziffern 104 f. sowie Ziffern 121–132. „Ein solcher Fall wäre etwa zu besorgen, wenn die Bundesregierung ohne konstitutive Zustimmung des Bundestages in erheblichem Umfang Gewährleistungen, die zur direkten oder indirekten Vergemeinschaftung von Staatsschulden beitragen, übernehmen dürfte, bei denen also der Eintritt des Gewährleistungsfalls allein vom Verhalten anderer Staaten abhängig wäre.“ Ebenda, Ziffer 105. Vgl. auch Dirk Meyer (2013), a. a. O., Seiten 3 f.
  • 4
    Abhängig davon, ob eine europäische Schuldenagentur zwischen den Euro-Staaten auf völkervertraglicher Basis vereinbart oder im EU-Recht verankert wird, könnten das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 Abs. 6 EUV) oder aber sogar das ordentliche Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 Abs. 1–5 EUV) notwendig werden, da im letzteren Fall die Kompetenzen der Gemeinschaft erweitert würden. Aufgrund der grundlegenden Bedeutung von Eurobonds für die Wirtschaftsverfassung der EU dürfte die Einführung über eine Vertragsabrundung (Art. 352 AEUV) ausscheiden. Abweichend vgl. Europäische Kommission (2011), a. a. O., Seiten 13 f.
  • 5
    Siehe Europäische Kommission, Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, 2017, https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/reflection-paper-emu_de.pdf (Abrufdatum 14.06.2017). Dessen ungeachtet hatte der jetzige französische Präsident Emmanuel Macron als damaliger Wirtschaftsminister unter François Hollande Eurobonds kürzlich noch auf seiner Europa-Agenda. Seine heutigen Äußerungen gehen eher in die Richtung von zukünftigen gemeinschaftlichen Projektfinanzierungen.
  • 6
    Neben der Nachfrage nach sicheren Anleihen institutioneller Anleger und den Zentralbanken kommen Nachfrager aus Schwellenländern vermehrt hinzu, die aufgrund der dort wenig entwickelten Finanzmärkte auf sichere Staatsanleihen der USA und europäischer Länder zurückgreifen. Nach Schätzungen sollen die Anleihekaufprogramme zu einer Reduzierung der Rendite für zehnjährige Staatsanleihen um 0,6 bis 1,1 Prozentpunkte geführt haben. Vgl. Gerald Braunberger, Die unstillbare Nachfrage nach sicheren Anlagen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Juni 2017, Seite 28.
  • 7
    Siehe Credit Rating Agencies Regulation (CRD), http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX:32013R0462, 9. April 2015. Siehe auch Kapitel IV „Kapitalpuffer“ Art. 128 ff., speziell Art. 140 der Richtlinie 2013/36/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG.
  • 8
    Vgl. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2016/17 – Zeit für Reformen, Paderborn 2016, Ziffer 545. Dieser Zinsanstieg, verbunden mit einer Austrocknung der Anleihemärkte, war für Griechenland Ende 2009 und Ende 2011 zu beobachten, wo in beiden Fällen ein Zahlungsausfall drohte.
  • 9
    Markus K. Brunnermeier et al. weisen auf die Ursachen dieses Teufelskreises durch die enge Verflechtung zwischen heimischen Banken und Staaten hin. So halten die Banken in Krisenstaaten im Mittel einen Anteil von 80 bis 95 Prozent an heimischen Staatsanleihen bezogen auf ihr gesamtes Staatsanleihen-Portfolio. Auch die Geldhäuser in den eher als ausfallsicher geltenden Staaten halten einen Anteil von 60 bis 70 Prozent; vgl. Markus K. Brunnermeier/Sam Langfield/Marco Pagano/Ricardo Reis/Stijn van Nieuwerburgh/Dimitri Vayanos, ESBies: Safety in the tranches, European Systemic Risk Board, Working Paper Series No 21 (September 2016), Seiten 3 f., https://www.esrb.europa.eu/pub/pdf/wp/esrbwp21.en.pdf (Abrufdatum 22.06.2017). Johannes Pockrandt und Sören Radde zeigen eine stark positive Korrelation von Prämien auf Credit Default Swaps (CDS) von Staats- und Bankanleihen auf, vgl. Johannes Pockrandt/Sören Radde, Reformbedarf in der EU-Bankenregulierung: Solvenz von Banken und Staaten entkoppeln, DIW Wochenbericht 42/2012, Seiten 3–10, https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.409794.de/12-42.pdf (Abrufdatum 27.06.2017).
  • 10
    Entsprechende Anleihen werden von der Europäischen Kommission unter der Bezeichnung Sovereign Bond-Backed Securities (SBBS) behandelt; vgl. Europäische Kommission 2011, a. a. O., Seite 21.
  • 11
    Siehe auch Art. 4 Abs. 61 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 zu den Anforderungen für Verbriefungen.
  • 12
    Simulationsrechnungen von Brunnermeier et al. kommen auch unter der Annahme einer schweren Rezession zu positiven Ergebnissen; vgl. Markus K. Brunnermeier/Luis Garicano/Philip R. Lane/Marco Pagano/Ricardo Reis/Tano Santos/David Thesmar/Stijn van Nieuwerburgh/Dimitri Vayanos (2011), European Safe Bonds (ESBies), Seiten 11 ff. und 24 ff., http://personal.lse.ac.uk/vayanos/Euronomics/ESBies.pdf (Abrufdatum 27.06.2017), sowie dieselben (2016), a. a. O., Seiten 7 ff. Vom Sachverständigenrat wird zum Schutz gegen eine krisenhafte Verflechtung von Banken und Staaten darüber hinaus ein Verbot eines Erwerbs der Junior-Tranche für Banken erwogen; vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545.
  • 13
    Ebenda
  • 14
    Vgl. Brunnenmeier et al. (2016), a. a. O., Seite 30; die Autoren schlagen allerdings eine Lizensierung der Emittenten vor, um die notwendige Expertise und Seriosität sicherzustellen.
  • 15
    Vgl. ebenda, Seiten 30 f.
  • 16
    Auch Brunnermeier et al. erwarten eine geringere „safe haven“-Prämie für Deutschland. Demgegenüber führen sie für die weniger liquiden Anleihen aus Staaten wie Österreich, Finnland und den Niederlanden an, dass aufgrund des größeren Marktvolumens und einer höheren Liquidität durch die ESBies die Sicherheitsprämie für diese Staaten durchaus auch steigen könnte; vgl. Brunnermeier et al. (2011), a. a. O., Seite 7.
  • 17
    Vgl. Gerald Braunberger, Wer kauft ein Bündel von Eurostaatsanleihen?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Juni 2017, Seite 25. So stuften S&P zum Höhepunkt der Eurokrise 2011/2012 neun Euro-Staaten in engem zeitlichen Zusammenhang herab.
  • 18
    Siehe Europäische Kommission (2017), a. a. O., Seite 21.
  • 19
    Dies entspräche einem Vorschlag des Chefs der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, dem Italiener Andrea Enria, für eine Bad Bank für Europa. Unterstützung fand diese Initiative durch den Vorsitzenden des ESM, Klaus Regling, und den EZB-Vize Vitor Constancio. Vgl. Markus Frühauf/Werner Mussler, EU-Bankenaufseher fordert Bad Bank für Europa, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Januar 2017, Seite 15.
  • 20
    Vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545.
  • 21
    Vgl. Europäische Kommission (2017), a. a. O., Seite 23.
  • 22
    Vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545, und Europäische Kommission, Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden – Der Bericht der fünf Präsidenten, 2015, Seite 14, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/5presidentsreport.de.pdf?4b942c5f6fc385ea3624ec18a85f3fe4 (Abrufdatum 20.10.2015).
  • 23
    Vgl. Johannes Becker/Clemens Fuest, Der Odysseus-Komplex, München 2017.
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Fussnoten

  • 1
    Siehe hierzu ausführlich Europäische Kommission, Grünbuch über die Durchführbarkeit der Einführung von Stabilitätsanleihen, KOM (2011) 818 vom 23. November 2011, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-11-820_de.htm. Vgl. auch Dirk Meyer, Eurobonds – Weichenstellung für Europa, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Heft 138 (2013), Seiten 2–4; und derselbe, Eurobonds: politisch erwünscht, ökonomisch sinnvoll, juristisch machbar?, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jahrgang (2014), Heft 5, Seiten 369–375, http://dx.doi.org/10.1007/s10273-014-1681-y oder https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2014/5/eurobonds-oekonomisch-sinnvoll/; sowie Hanno Beck/Dirk Wentzel, Eurobonds – Wunderwaffe oder Sprengsatz für die Europäische Union, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jahrgang (2011), Heft 10, Seiten 717–723.
  • 2
    Die Einsicht zur Nachbesserung des Regelwerkes nach der Staatsschulden- und Bankenkrise war groß: eine Reform des Fiskalpaktes, die Installierung einer Haushaltsüberwachung und eines Bankenabwicklungsmechanismus. In der Anwendungspraxis hat es wenig gebracht – offensichtliche Verstöße und Ausnahmen wurden zur Regel. Seit der Einführung des Euro 1999 wurde die Defizitquote 109-mal überschritten. Siehe Philip Plickert, Bundesbank: Euroregeln zu weich, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. Juni 2017, Seite 17. In gleich zwei Fällen – Monte dei Paschi di Siena sowie Banca Popolare di Vicenza und Banca Veneto – hat Italien ein Bail-in entgegen den europäischen Leitlinien zur Bankenabwicklung nicht angewandt.
  • 3
    Siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2011, 2 BvR 987/10 – 2 BvR 1485/10 – 2 BvR 1099/10, Ziffern 104 f. sowie Ziffern 121–132. „Ein solcher Fall wäre etwa zu besorgen, wenn die Bundesregierung ohne konstitutive Zustimmung des Bundestages in erheblichem Umfang Gewährleistungen, die zur direkten oder indirekten Vergemeinschaftung von Staatsschulden beitragen, übernehmen dürfte, bei denen also der Eintritt des Gewährleistungsfalls allein vom Verhalten anderer Staaten abhängig wäre.“ Ebenda, Ziffer 105. Vgl. auch Dirk Meyer (2013), a. a. O., Seiten 3 f.
  • 4
    Abhängig davon, ob eine europäische Schuldenagentur zwischen den Euro-Staaten auf völkervertraglicher Basis vereinbart oder im EU-Recht verankert wird, könnten das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 Abs. 6 EUV) oder aber sogar das ordentliche Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 Abs. 1–5 EUV) notwendig werden, da im letzteren Fall die Kompetenzen der Gemeinschaft erweitert würden. Aufgrund der grundlegenden Bedeutung von Eurobonds für die Wirtschaftsverfassung der EU dürfte die Einführung über eine Vertragsabrundung (Art. 352 AEUV) ausscheiden. Abweichend vgl. Europäische Kommission (2011), a. a. O., Seiten 13 f.
  • 5
    Siehe Europäische Kommission, Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, 2017, https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/reflection-paper-emu_de.pdf (Abrufdatum 14.06.2017). Dessen ungeachtet hatte der jetzige französische Präsident Emmanuel Macron als damaliger Wirtschaftsminister unter François Hollande Eurobonds kürzlich noch auf seiner Europa-Agenda. Seine heutigen Äußerungen gehen eher in die Richtung von zukünftigen gemeinschaftlichen Projektfinanzierungen.
  • 6
    Neben der Nachfrage nach sicheren Anleihen institutioneller Anleger und den Zentralbanken kommen Nachfrager aus Schwellenländern vermehrt hinzu, die aufgrund der dort wenig entwickelten Finanzmärkte auf sichere Staatsanleihen der USA und europäischer Länder zurückgreifen. Nach Schätzungen sollen die Anleihekaufprogramme zu einer Reduzierung der Rendite für zehnjährige Staatsanleihen um 0,6 bis 1,1 Prozentpunkte geführt haben. Vgl. Gerald Braunberger, Die unstillbare Nachfrage nach sicheren Anlagen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Juni 2017, Seite 28.
  • 7
    Siehe Credit Rating Agencies Regulation (CRD), http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX:32013R0462, 9. April 2015. Siehe auch Kapitel IV „Kapitalpuffer“ Art. 128 ff., speziell Art. 140 der Richtlinie 2013/36/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG.
  • 8
    Vgl. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2016/17 – Zeit für Reformen, Paderborn 2016, Ziffer 545. Dieser Zinsanstieg, verbunden mit einer Austrocknung der Anleihemärkte, war für Griechenland Ende 2009 und Ende 2011 zu beobachten, wo in beiden Fällen ein Zahlungsausfall drohte.
  • 9
    Markus K. Brunnermeier et al. weisen auf die Ursachen dieses Teufelskreises durch die enge Verflechtung zwischen heimischen Banken und Staaten hin. So halten die Banken in Krisenstaaten im Mittel einen Anteil von 80 bis 95 Prozent an heimischen Staatsanleihen bezogen auf ihr gesamtes Staatsanleihen-Portfolio. Auch die Geldhäuser in den eher als ausfallsicher geltenden Staaten halten einen Anteil von 60 bis 70 Prozent; vgl. Markus K. Brunnermeier/Sam Langfield/Marco Pagano/Ricardo Reis/Stijn van Nieuwerburgh/Dimitri Vayanos, ESBies: Safety in the tranches, European Systemic Risk Board, Working Paper Series No 21 (September 2016), Seiten 3 f., https://www.esrb.europa.eu/pub/pdf/wp/esrbwp21.en.pdf (Abrufdatum 22.06.2017). Johannes Pockrandt und Sören Radde zeigen eine stark positive Korrelation von Prämien auf Credit Default Swaps (CDS) von Staats- und Bankanleihen auf, vgl. Johannes Pockrandt/Sören Radde, Reformbedarf in der EU-Bankenregulierung: Solvenz von Banken und Staaten entkoppeln, DIW Wochenbericht 42/2012, Seiten 3–10, https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.409794.de/12-42.pdf (Abrufdatum 27.06.2017).
  • 10
    Entsprechende Anleihen werden von der Europäischen Kommission unter der Bezeichnung Sovereign Bond-Backed Securities (SBBS) behandelt; vgl. Europäische Kommission 2011, a. a. O., Seite 21.
  • 11
    Siehe auch Art. 4 Abs. 61 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 zu den Anforderungen für Verbriefungen.
  • 12
    Simulationsrechnungen von Brunnermeier et al. kommen auch unter der Annahme einer schweren Rezession zu positiven Ergebnissen; vgl. Markus K. Brunnermeier/Luis Garicano/Philip R. Lane/Marco Pagano/Ricardo Reis/Tano Santos/David Thesmar/Stijn van Nieuwerburgh/Dimitri Vayanos (2011), European Safe Bonds (ESBies), Seiten 11 ff. und 24 ff., http://personal.lse.ac.uk/vayanos/Euronomics/ESBies.pdf (Abrufdatum 27.06.2017), sowie dieselben (2016), a. a. O., Seiten 7 ff. Vom Sachverständigenrat wird zum Schutz gegen eine krisenhafte Verflechtung von Banken und Staaten darüber hinaus ein Verbot eines Erwerbs der Junior-Tranche für Banken erwogen; vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545.
  • 13
    Ebenda
  • 14
    Vgl. Brunnenmeier et al. (2016), a. a. O., Seite 30; die Autoren schlagen allerdings eine Lizensierung der Emittenten vor, um die notwendige Expertise und Seriosität sicherzustellen.
  • 15
    Vgl. ebenda, Seiten 30 f.
  • 16
    Auch Brunnermeier et al. erwarten eine geringere „safe haven“-Prämie für Deutschland. Demgegenüber führen sie für die weniger liquiden Anleihen aus Staaten wie Österreich, Finnland und den Niederlanden an, dass aufgrund des größeren Marktvolumens und einer höheren Liquidität durch die ESBies die Sicherheitsprämie für diese Staaten durchaus auch steigen könnte; vgl. Brunnermeier et al. (2011), a. a. O., Seite 7.
  • 17
    Vgl. Gerald Braunberger, Wer kauft ein Bündel von Eurostaatsanleihen?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Juni 2017, Seite 25. So stuften S&P zum Höhepunkt der Eurokrise 2011/2012 neun Euro-Staaten in engem zeitlichen Zusammenhang herab.
  • 18
    Siehe Europäische Kommission (2017), a. a. O., Seite 21.
  • 19
    Dies entspräche einem Vorschlag des Chefs der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, dem Italiener Andrea Enria, für eine Bad Bank für Europa. Unterstützung fand diese Initiative durch den Vorsitzenden des ESM, Klaus Regling, und den EZB-Vize Vitor Constancio. Vgl. Markus Frühauf/Werner Mussler, EU-Bankenaufseher fordert Bad Bank für Europa, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Januar 2017, Seite 15.
  • 20
    Vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545.
  • 21
    Vgl. Europäische Kommission (2017), a. a. O., Seite 23.
  • 22
    Vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., Ziffer 545, und Europäische Kommission, Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden – Der Bericht der fünf Präsidenten, 2015, Seite 14, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/5presidentsreport.de.pdf?4b942c5f6fc385ea3624ec18a85f3fe4 (Abrufdatum 20.10.2015).
  • 23
    Vgl. Johannes Becker/Clemens Fuest, Der Odysseus-Komplex, München 2017.