Die Ludwig-Erhard-Stiftung hat kürzlich ein Sonderheft herausgegeben. Anlass sind Ludwig Erhards 120. Geburtstag und 40. Todestag sowie das Erscheinen seines Buchs „Wohlstand für Alle“ vor 60 Jahren. Lesen Sie das Editorial von Roland Tichy, dem Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung.

Vor 60 Jahren aufgelegt, wurde Ludwig Erhards Buch „Wohlstand für Alle“ sofort ein Bestseller – und Dauerläufer: Noch heute werden Jahr für Jahr neue Auflagen verkauft; in diesem Jahr hat Ulrich Blum eine weitere chinesische Übersetzung vorgelegt.

„Wohlstand für Alle“ wurde zum geflügelten Wort, zur programmatischen Forderung der Politik. In nur drei Worten stecken ganze Parteiprogramme: Wie kann der Wohlstand erarbeitet werden? Und auch: Wie kann er sozial gerecht der gesamten Bevölkerung zugutekommen, nicht nur einigen wenigen an der Spitze. Entlang dieser drei Worte wird seither in Deutschland um den richtigen Weg gerungen.

Neue Herausforderungen kommen dazu: Geht’s noch mit dem Wohlstand für Alle? Geht’s noch, nachdem die Phase des Wirtschaftswunders und des schnellen Aufbaus vorüber ist? Geht’s noch „für Alle“ – auch in Zeiten neuer Verteilungskonflikte, wachsender Ansprüche an das Sozialprodukt und vor dem Hintergrund technischer Revolutionen, die mühsam errungene und erarbeitete Besitzansprüche zerstören?

Ist das Modell der Sozialen Marktwirtschaft überholt, nicht wiederholbar, und wenn doch, mit welchen zeitgemäßen Erneuerungen? Kann man vom analogen Erhard für die digitale Disruption lernen? Oder ist er so überholt wie eine dampfende Zigarre in der Öffentlichkeit? Oder gerade deswegen – weil das, was heute als so unfassbar neu, verstörend oder revolutionär erfahren wird, sich im historischen Vergleich relativiert und sich damit als handhabbar, beherrschbar, gestaltbar entpuppt?

Was bleibt und was sind die Leitlinien der Politik Ludwig Erhards für heute? Das Menschenbild: Ludwig Erhard hat den Menschen Freiheit abverlangt. Freiheit wird nicht geschenkt, gewährt, versichert – sie muss von jedem Einzelnen gelebt werden. Ein selbstverständlicher Satz — und doch leben wir zunehmend in einem Staat, in dem Menschen generell als betreuungsbedürftig behandelt werden. Freiheit ist aber auch kein Freibrief für Freibeuterei und soziale Rüpelhaftigkeit. Die Schwester der Freiheit ist die Verantwortung – für das eigene Leben, aber auch für Mitarbeiter, Mitmenschen und Gesellschaft.

Und dann ist da der Mut. Disruption ist ein Begriff, der heute in keiner Rede fehlen darf. Wer versuchen sollte, sie bürokratisch wegzuplanen und einzugrenzen, wird jämmerlich scheitern. Erhard hat Disruption gewollt und zugelassen. Die plötzliche Aufhebung von Preisvorschriften traf die staatlich gelenkte Wirtschaft mit der Wucht eines gewaltigen Hammerschlags, gegen den die digitale Disruption eine langsame, geradezu stetige Evolution ist. Ebenso schnell hat sie ihre Wirkung gezeitigt und Wohlstand für Alle zur erfahrbaren Realität gemacht. Erhard war ein Putschist der Marktwirtschaft, kein behäbiger Sozialonkel, der betulich Geschenke an seine Lieben verteilt und huldvoll ihre Dankbarkeit entgegennimmt.

Das sind Lehren, die Deutschland im Wahljahr 2017 brauchen kann, damit Wohlstand für Alle weiter möglich ist: Freiheit zumuten, Verantwortung einfordern, Entscheidungsfreude honorieren und Blockaden lösen!

Laden Sie die Publikation der Ludwig-Erhard-Stiftung „Wohlstand für Alle – Geht’s noch?“ aus dem Jahr 2017 herunter.

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