Die Übernahme der angeschlagenen Kaiser’s-Tengelmann-Filialen durch Edeka, die das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf Mitte Juli 2016 suspendiert hat, zieht Kreise. Insbesondere ein Tatbestand erhitzt die Gemüter. Das OLG führt an, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel möglicherweise befangen gewesen sei, als er die Erlaubnis für die Fusion erteilte.

Sigmar Gabriel habe zwei Geheimgespräche mit den Chefs von Edeka und Tengelmann geführt, zum Nachteil des ebenfalls an einer Übernahme interessierten Konkurrenten REWE. Der Bundeswirtschaftsminister verwahrt sich – erwartungsgemäß – gegen den Befangenheitsvorwurf und wies ihn „entschieden“ zurück: Es habe keine Geheimgespräche gegeben, immer seien Beamte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit anwesend gewesen. Grundsätzlich sei es ihm um die Rettung von Arbeitsplätzen bei Tengelmann gegangen. Anders als das OLG, Kartellamt und Monopolkommission hält Gabriel die Sicherung einer bestimmten Zahl von Arbeitsplätzen – es sind rund 16.000 in der Diskussion – in einem Unternehmen eindeutig für einen Gemeinwohlgrund, der eine Ministererlaubnis rechtfertige.

Transparenzbeschwörungen

Das BMWi betont, dass in dem Verfahren alles transparent und ordnungsgemäß abgelaufen sei. Allerdings kommt immer wieder Neues ans Licht, zuletzt das Detail, dass es statt zwei Treffen des Bundesministers mit den Edeka- und Tengelmann-Chefs mindestens noch ein drittes gegeben hat, mit Edeka-Vorstand Markus Mosa und Frank Bsirske, dem Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. An sich scheint es gleichgültig, ob der Bundeswirtschaftsminister zwei, drei oder zehn Mal mit Beteiligten über die Fusion diskutiert hat. Nicht gleichgültig lässt einen der Eindruck, das BMWi und sein Chef geben nur zu Protokoll, was an Neuem bekannt wird. Dadurch entsteht schnell der Verdacht, es gebe noch mehr zu verbergen.

Die Ministererlaubnis als Ausnahme im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist ein Sonderrecht. Der Bundeswirtschaftsminister kann sich über das Votum der Kartellwächter hinwegsetzen, sofern eine Übernahme „Vorteile für das Gemeinwohl“ bringe, indem also eine Fusion zwar den Wettbewerb einschränken, in anderen Bereichen aber positive Wirkungen haben kann – bei der Beschäftigung etwa. Solcherlei Überlegungen muss das Kartellamt unberücksichtigt lassen. Die Mitarbeiter des Bundeskartellamtes sind allein für den Wettbewerb und seinen Schutz zuständig. Die Ministererlaubnis wurde 1973 zusammen mit Vorschriften zur Fusionskontrolle in das novellierte GWB eingeführt. Seitdem gab es – inklusive Edeka/Kaiser’s Tengelmann – 22 Fälle: In sieben Fällen zogen fusionswillige Unternehmen ihren Antrag auf eine Ministererlaubnis zurück. Sechs Mal untersagte ein Minister das Fusionsvorhaben. In neun Fällen schließlich wurde eine Ministererlaubnis erteilt, teils unter Auflagen. Deshalb ist die Nutzung dieses Instrumentes eine besonders sensible Angelegenheit. Erstaunlich, dass das Ministerium so unsensibel damit umgeht.

BMWi-Außenwirkung: fragwürdig, amateurhaft, ungeschickt

In Bezug auf die Handelnden im BMWi fragt sich der Beobachter inzwischen: Ist es Naivität? Ungeschicklichkeit? Mangelhafte Beratung? Während man über Jahre der Konzentration im deutschen Einzelhandel mehr oder weniger tatenlos zugesehen hat, nun so viel Wind? Das weitere Tun und Lassen im BMWi dürfte weiterhin mit Argusaugen beobachtet werden. Im Ministerium jedenfalls scheint man eisern entschlossen, seine Sicht der Dinge für die „richtige“ zu halten und auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Ein „Tatbestandsberichtigungsantrag“ wurde laut Süddeutscher Zeitung vom 1. August beim OLG eingereicht. Weitere Rechtsmittel sollen zumindest geprüft werden. Die Frist dafür läuft bis Mitte August. Kommt also noch der Eindruck von Rechthaberei dazu?

Wie auch immer: Wirtschaftspolitische Kompetenz und Sicherheit werden dadurch nicht vermittelt. Vielleicht wäre ein Blick in Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ hilfreich. Dort steht über dem 6. Kapitel: „Wirtschaftsminister, nicht Interessenvertreter“.

Lesen Sie zum Thema auch „Herr Minister, das war wohl nichts!“ und „Ministererlaubnis: Arbeitsplatzsicherung zulasten der Verbraucher“.

Wettbewerb und Vergleichsmöglichkeiten

Ohne restriktivere Geldpolitik wird die Inflation hoch bleiben. Warum also dreht die EZB nicht an der Zinsschraube und nimmt Geld vom Markt, indem sie ihre enormen Volumina an Staatsanleihen reduziert? Die Federal Reserve in den USA beschreitet diesen Weg bereits. Manche behaupten, die EZB verfolge nicht mehr ihr Mandat zur Preisstabilität, sondern andere politische Ziele, etwa die Rettung der Staatsfinanzen von Italien und anderen Ländern. Wir hingegen erachten insbesondere den fehlenden Wettbewerb zwischen Zentralbanken als Erklärung für das Zögern der EZB bei der Bekämpfung der Inflation.

Derzeit dominieren mit der Fed und der EZB zwei große Zentralbanken die Geldpolitik der demokratischen Industriestaaten. Als D-Mark, Franc, Lira, etc. neben Dollar, Pfund, Franken existierten, waren alle Zentralbanken einem deutlich stärkeren Wettbewerb um internationale Reputation und den Wert ihrer Währungen ausgesetzt. Die Bundesbank musste nicht nur darauf achten, was in den USA passierte, sondern Vergleiche mit der Banque de France und selbst kleineren Zentralbanken wie der Österreichischen oder der Schweizerischen Nationalbank waren der Standard. Kein Zentralbank-Gouverneur wollte Schlusslicht in Europa sein. Diese Art von Wettbewerb eröffnete Vergleichs- und Lernmöglichkeiten.

Heute sind Vergleiche schwieriger, der Wettbewerb spielt eine weniger wichtige Rolle, und das Lernen ist eingeschränkt. Die Fed und die EZB achten zwar, was der jeweils andere Zentralbankriese macht und sie reagieren aufeinander. Daher wird die kürzlich erfolgte Erhöhung der Leitzinsen in den USA auch bald in der Eurozone zu einer restriktiveren Politik führen. Doch der Wettbewerb zwischen zwei Riesen ist oft schwach. So werden die erfolgreichen Zentralbanken in Skandinavien oder der Schweiz vom Riesen EZB als kleine Sonderfälle abgetan. Die erfolgreichen Zwerge achten zwar genauestens darauf, was die Riesen machen, aber die Riesen nehmen die Zwerge nicht besonders ernst. Selbst die Bank of England vertritt im Wettbewerb eine im Vergleich zur Eurozone und den USA kleine Volkswirtschaft. Als Vergleichsmaßstab und Anspruchsniveau dienen der EZB heute vor allem die eigenen makroökonomischen Prognosen. Diese wurden in den letzten Jahren immer weniger informativ. Sie beinhalten eher Punktprognosen und oft wenige Informationen über die zugrundeliegenden Unsicherheiten.

Ohne Wettbewerbsdruck wird die EZB wohl nur sehr behäbig und langsam auf die Inflation reagieren, denn formale Unabhängigkeit und ein selbst interpretierbares Mandat allein reichen nicht, um die Inflation schnell zu bekämpfen. Doch Wettbewerb kann nicht einfach hergezaubert werden. Deshalb schlagen wir vor, systematische Vergleiche in Form eines Benchmarkings zwischen Ländern zu institutionalisieren. Solange die Inflation nicht unter 2 Prozent ist, sollte die EZB öffentlich und allgemeinverständlich Stellung beziehen, warum die Inflation in anderen europäischen Ländern ohne den Euro als Währung und in ausgewählten Ländern der Welt wie Japan oder Australien niedriger ist. Um ihre Stellungnahme glaubwürdig zu machen, wird die EZB schnell auf eine restriktive Geldpolitik setzen und damit die Inflation etwas näher an 2 Prozent bringen.

Prof. Dr. Bernhard Herz ist Professor für Geld und Internationale Wirtschaft an der Universität Bayreuth.

Prof. Dr. David Stadelmann ist Professor für Wirtschaftspolitik und wirtschaftliche Entwicklung an der Universität Bayreuth. Im Jahr 2017 wurde er mit dem Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.

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