Im letzten Jahr schlug der US-amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff die Abschaffung von Bargeld vor und pries die Vorteile einer bargeldlosen Wirtschaft an. Dänemark geht nun voran: Das Land schafft Münzen und Scheine als gesetzliches Zahlungsmittel weitgehend ab. Folgt Deutschland?

Was wie eine Zukunftsvision klingt, zeichnet sich im Alltag längst ab. Handwerkerrechnungen können nur steuerlich geltend gemacht werden, wenn sie per Überweisung beglichen wurden. Im öffentlichen Nahverkehr einzelner Großstädte erhält Rabatt, wer auf Bargeld verzichtet. Und in einer zunehmend digitalisierten Welt erfreuen sich Mobile-Payment-Verfahren immer größerer Beliebtheit.

In Skandinavien, wo die Überwachung der Bürger in Orwell’schen Dimensionen zur sozialdemokratischen Identität zählt, ist der bargeldlose Zahlungsverkehr weitaus verbreiteter als in Deutschland. In Schweden rief Björn Ulaveus, Gründungsmitglied der Gruppe ABBA, nach einem Selbstversuch ohne Bargeld seine Mitbürger dazu auf, ebenfalls auf Bargeld zu verzichten. Pikantes Detail: Das ABBA-Museum in Stockholm akzeptiert nur noch Kartenzahlungen, und der Hauptsponsor des Museums heißt Mastercard. In Dänemark wird nun die „Krone“ als gesetzliches Zahlungsmittel weitgehend abgeschafft, neue Banknoten werden nicht mehr gedruckt. Tankstellen und Restaurants können dann sagen: „Keine Karte? Kein Service!“

Der gläserne Bürger

Was als neue bequeme Welt ohne Kriminalität gepriesen wird, erweist sich bei näherem Hinsehen als Schreckensvision der totalen Überwachung. Ohne Bargeld sind die Bürger restlos manipulierbar und steuerbar. Wer sich politisch unbeliebt macht, dem wird sein Konto gesperrt. Alkoholikern wird an der Kasse der Kauf von Alkohol verboten. Das klingt gut, aber genauso könnte jedem anderen an jeder Stelle der Kauf jeder beliebigen Ware verboten werden. Die bargeldlose Welt macht es auch viel einfacher, Steuern und Zwangsabgaben zu erheben. Die Bürger können sich dann gar nicht mehr gegen die Selbstbedienung der Politikerkaste wehren.

Wir alle wären kontrollierbar. Was immer wir tun, was immer wir kaufen, wo immer abgebucht wird – es ist nachvollziehbar. Keine Spende im Klingelbeutel, kein Schwarzgeld, kein Trinkgeld bliebe unentdeckt; jeder Kauf wäre kontrolliert. Alles würde transparent. Was wird da immer über Google oder Facebook gejammert – aber das wären datenvirtuelle Peanuts gegen diese eine, diese ganz große Lösung: endlich die totale Kontrolle über die Menschen. Ohne Bargeld gäbe es keine Schwarzarbeit, und der gläserne Bürger wäre Realität. Die Überwachung durch NSA und BND sind nur die Anfänge, verglichen mit den Möglichkeiten einer elektronischen Kontoverfolgung.

Ohne Bargeld zur Euro-Zinssteuer

Aber die Vorteile für Staat und Staatsbank gehen noch weiter. Ohne Bargeld könnte jeder Euro auf der Bank mit einem Strafzins belegt werden. Unser Geld würde dann täglich schrumpfen – da gibt man es besser aus und kurbelt damit die Wirtschaft an, statt zu sparen. Sparen ist des Teufels, wird bestraft, deshalb die Null-Zins-Politik, die schrittweise zu einer Negativ-Zins-Politik werden könnte – unter der Voraussetzung, dass es kein Bargeld mehr gibt. So lange wir echtes Geld haben, können wir es verstecken. Beim Bargeld-Verbot dagegen müssten wir hilflos zuschauen, wie es auf dem Bankkonto dahin schmilzt, besteuert, oder beschlagnahmt wird. Dann schrumpft die Rente, noch während wir dafür sparen. Eigenvorsorge lohnt sich dann nicht mehr. Endlich hätten sie uns da, wo sie uns wollen: als Stallhasen, die darauf angewiesen sind, dass ihnen der Rentenbeamte der Staatsversorgungskasse eine Kleinigkeit auszahlt. Was heißt auszahlt? Überweist.

Negativ-Zinsen gibt es schon – aber erst für Banken, wenn sie ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank parken. Sollen die Negativzinsen auch auf Spar- und Girokonten erhoben werden, ist zu befürchten, dass die Bürger ihr Geld abheben und es bar verwahren. Also setzt die Ausweitung der Negativzinsen voraus, dass echtes Bargeld verboten wird. Nur so kann die Zinsmanipulation der EZB gelingen und eine Euro-Steuer in Form von Negativzinsen erfolgreich erhoben werden. Im Ergebnis sind die Negativ-Zinsen eine Euro-Zinssteuer auf Geldvermögen: Damit werden die Bürger zur Kasse gebeten, um die Währung zu retten. Vor zwei Jahren hielt man Null-Zinsen für geradezu undenkbar. Erste Überlegungen über „Negativ-Zinsen“ schienen ebenso hirnrissig wie unpraktikabel. Nun haben wir sie.

Nach wie vor ist Bargeld unverzichtbar

Die Statistiker der Deutschen Bundesbank haben herausgefunden, dass im Schnitt jeder Bürger 103 Euro im Portemonnaie hat und zu Hause – im Tresor, in der Zuckerdose oder unter der Matratze – noch einmal 1.440 Euro. „Unsere jüngste Studie zum Zahlungsverhalten zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auch weiterhin mit Bargeld bezahlen möchten“, sagt Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied der Bundesbank. Aber selbstverständlich ist das nicht. Die Bundesbank warnt vor einem „War on Cash“, von einem Krieg gegen das Geld, bei dem die Gegner eine breite Front bilden: Viele große Händler mögen kein Bargeld, denn es muss bewacht, gezählt und mit der Geldbombe abends in die Bank geliefert werden. Für Digital-Unternehmen – vom mächtigen Apple bis zu findigen Start-Ups – wäre digitales Bezahlen ein Riesengeschäft. Die Banken müssten keine teuren Geldautomaten zur Verfügung stellen, aber was noch wichtiger ist: Ohne Bargeld wäre der Kunden total abhängig von der Bank, die jederzeit seine Kreditkarte sperren könnte. Und wenn die Bank pleite ist, sind es ihre Kunden auch. Damit wären die Banken wieder, was sie während der Finanzkrise waren: unverzichtbar, unangreifbar, weil mit ihrem Ende alles wirtschaftliche Leben beendet wäre.

Argumente für die Beibehaltung von Bargeld lesen sich in einer Rede von Carl-Ludwig Thiele. Bargeld weist danach einige einzigartige Eigenschaften auf: Es ist für jedermann verfügbares Zentralbankgeld, mit dem Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können und wofür es einen Annahmezwang gibt. Es hinterlässt keine Datenspuren und schützt die Privatsphäre. Es kann ohne technische Hilfsmittel zum Bezahlen genutzt werden und dient daher als Ausfalllösung für unbare Zahlungsinstrumente. Und es garantiert die sofortige und vollständige Vertragserfüllung: Ware gegen Geld.

Geld ist „gemünzte Freiheit“, zitiert schon Ludwig Erhard den russischen Dichter Dostojewski. Der war nach Sibirien verbannt – und brauchte Geld, um sich aus Kälte und Einsamkeit freizukaufen.

Zu diesem Thema fand am 21. Mai 2015 in Mainz eine Veranstaltung statt, zu der der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz eingeladen hatten. Der Titel der Veranstaltung lautete: „Bargeld in der digitalen Gesellschaft – Anachronismus oder gedruckte Freiheit?“  Roland Tichy hielt den Eingangsvortrag.

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