Donald Trumps Wirtschaftspolitik wird inzwischen in Umrissen sichtbar. Man kann sie als das Ende der Nachkriegsordnung der Wirtschaft verstehen. Folgt man diesem Gedanken, wird sich die Welt – auch Deutschland – neu ordnen müssen.

Nun hat der künftige US-Präsident Donald Trump gesprochen und neue „Deals“ für die US-amerikanische Wirtschaft angekündigt. Der Euro und die Börsenkurse in Europa knickten daraufhin zum Teil kräftig ein; Trumps Worte treffen die Automobilfirmen härter als die Diesel-Affäre. Das sind keine „Buchwerte“. Börsen sind sensible Messsysteme für Unsicherheit und Veränderung. Müssen die Deutschen Angst vor Trump haben?

Das Seltsame ist, dass Trump das erfüllt, was sich Linke und Grüne in Deutschland herbeisehnen: Er bremst die Globalisierung und beendet den wirtschaftlichen Liberalismus. Er regiert per Twitter in die Wirtschaft hinein – und betreibt damit das Gegenteil von Ordnungspolitik, der Trennung zwischen Wirtschaft und Politik. Längst greift auch Berlin immer öfter und tiefer in das Mikro-Geflecht der Wirtschaft per Anweisung ein.

Trump vollzieht, was sich viele in Deutschland wünschen: Er setzt den Primat der Politik durch, und die Wirtschaft hat seinen Befehlen, die er per Twitter aussendet, zu folgen. US-Firmen stoppten daraufhin Produktionsverlagerungen: 1.000 Jobs in einer Fabrik für Kühlgeräte in Indiana wurden gerettet.

Deutsche Autos, die in Mexiko billig gebaut und von dort in die USA importiert werden, sollen mit 35 Prozent Strafsteuer belegt werden. Dabei hatten es sich die Deutschen doch so schön ausgerechnet und sich vorgenommen, vom billigen Industriestandort Mexiko mit willigen Arbeitskräften ganz Amerika, von Alaska bis Feuerland, und einen Teil Asiens zu beliefern.

Strukturwandel als Wohlstandsmaschine

Trumps „New Deal“ ist ein radikaler Bruch mit der Nachkriegsordnung der Wirtschaft. Deutschland kam nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Beine, weil die „Käfer“ aus Wolfsburg durch Amerika krabbeln durften und dort Geld für das „Wirtschaftswunder“ einfuhren.

Die Öffnung der Märkte, zunächst des Westens, nach 1989 dann der ganzen Welt, war ein globales Konjunkturprogramm. Es setzte darauf, dass es allen Beteiligten Vorteile bringt, wenn Fabriken dorthin wandern, wo Löhne noch niedrig sind. Die Textilindustrie hat es vorgemacht: Erst wanderten die Nähereien nach Südeuropa, dann nach Nordafrika, später nach China und zuletzt nach Bangladesch und Burma. Andere Industrien folgten dem Trend. Die Produkte von Apple werden im Silicon Valley erdacht, aber in China von Foxconn (mit circa 450.000 Mitarbeitern) hergestellt.

Die klassischen Industrieländer sind in der Globalisierung Gewinner und Verlierer zugleich: Sie verlieren im Strukturwandel Arbeitsplätze und sind ständig gezwungen, mit neuen Produkten und Ideen höherwertige Arbeitsplätze zu schaffen – bis auch die wieder verloren gehen. So hat auch Deutschland wichtige Industriezweige abgeben müssen: in der Produktion von Haushaltsgeräten, Unterhaltungselektronik, Fotoapparaten – ein Drama für die Beschäftigten. Und doch war der ständige Strukturwandel und Zwang zur Innovation eine immer schneller laufende Wohlstandsmaschine.

Autarkie ist teuer und meist unmöglich

Zuletzt wuchs jedoch das Unbehagen daran: Freihandelsabkommen werden abgelehnt; faire, also höhere Preise für Produkte aus anderen Ländern werden aus ethischen Gründen gefördert; globale Standards für Arbeitsbedingungen sollen den globalen Kreislauf verlangsamen.

Zu Beginn des Nachkriegsaufschwungs stand aber die Öffnung des riesigen US-Marktes für die Europäer. Deutschland war von Anfang an Gewinner, und wenn man so will: ein Täter der Globalisierung, nicht Opfer. Das deutsche Wirtschaftssystem ist darauf ausgelegt; gemessen an den Wirtschaftssystemen aller größeren Länder vermutlich sogar am meisten zielgerichtet: Zulieferung von den Werkbänken aus dem billigen Osteuropa, dann Veredelung im Inland und schließlich teurer Export in die Weltmärkte. Globale Verflechtung und Lieferketten bis in den hintersten Winkel – das ist das deutsche Modell!

Es ist ein Erfolgsmodell, weil es sich gegen protektionistische Vorstöße behaupten konnte – insbesondere China startet immer neue Versuche, die Spielregeln einseitig zu seinem Vorteil zu ändern. Wenn Donald Trump seinen „New Deal“ tatsächlich durchzieht, muss sich Deutschland neu erfinden.

Trump benennt die USA als Verlierer: Das Land hat seine Märkte geöffnet und Arbeitsplätze zu Millionen verloren. Nicht nur in Europa, sondern gerade in Asien sind Hunderte von Millionen Menschen der Armut entkommen; neue Mittelschichten sind entstanden. Trump behauptet, das sei zulasten Amerikas geschehen. Ganz falsch ist das nicht. Was ist fair?

Protektionismus ist schädlich für alle Beteiligten. Aber große Volkswirtschaften können damit besser umgehen, weil sie innerhalb ihrer Grenzen Arbeitsteilung und Spezialisierung wenigstens in Maßen aufrechterhalten können. Kleinere, spezialisierte Volkswirtschaften verhungern buchstäblich draußen vor der Tür. Das ist die klare Lehre aus der Zwischenkriegszeit, nachdem die globale Freihandelsbewegung eingefroren war und die großen Reiche wie das Osmanische Reich, die Habsburger Krone, Russland und das Deutsche Kaiserreich in kleinere und kleinste Einheiten zerfallen waren, die sich voneinander abschotteten. Autarkie ist eine teure, meist sogar unmögliche Lösung.

Trump erfüllt Wünsche der Grünen und Linken

Trump fordert eine neue Gewinn- wie Lastenverteilung – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Sicherheitsfragen. Hier hat Deutschland ebenfalls eine weiche Stelle: Es ließ sich gut leben unter dem amerikanischen Schutzschirm, und es war einfach, aus einer pazifistischen Position heraus die USA für ihre Verteidigungsmaßnahmen zu kritisieren. Diese Haltung ist mit „America First“ plötzlich überholt.

Wenn man so will: Mit Trump geht die liberale Nachkriegsära zu Ende. Der wirtschaftliche Liberalismus ist seine Sache nicht. Der „rechte“ Trump vollzieht, was sich Linke und Grüne wünschen – das Ende der Globalisierung, das Ende dessen, was man sehr allgemein als Neoliberalismus bezeichnen könnte. Und Ordnungspolitik? Ein Tweet reicht, um bewährte Spielregeln der Machttrennung zu zerschlagen. Protektionismus erhält eine neue Qualität. „Wohlstand für alle“ wurde unter einem anderen Vorzeichen gedacht und formuliert.

Quasi ganz nebenbei buchstabiert Trump auch Europa neu: Der Brexit wird als schlaue Maßnahme interpretiert, um dem „deutschen“ Europa zu entkommen. Galten die Briten zunächst als „Dumme“, weil sie die Segnungen der EU für sich nicht fortsetzen wollten, so sind sie jetzt die „Schlauen“. Diese Botschaft wird auch in anderen europäischen Ländern verstanden werden.

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