Bei der Entscheidung des OLG Düsseldorf, die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka vorläufig zu stoppen, geht es vor allem um die Frage, ob Sigmar Gabriel in der Sache gute Gründe für die Ministererlaubnis hatte. Prof. Dr. Daniel Zimmer, ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission, erläutert, warum das Gericht zu einem negativen Ergebnis kommt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat die Entscheidung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Edeka die Übernahme seines Konkurrenten Kaiser`s Tengelmann zu erlauben, vorläufig ausgesetzt. In den Medien wird meist nur über einen der Gründe berichtet, die das Gericht zu seiner Entscheidung veranlasst haben: Minister Gabriel könnte befangen gewesen sein, als er die Erlaubnis erteilte. Das Oberlandesgericht legt – richtig – dar, dass ein Amtsträger, der in einem Verwaltungsverfahren zu einer Entscheidung berufen ist, durch sein Verhalten nicht einmal die Besorgnis der eigenen Befangenheit wecken darf. Eine solche Besorgnis besteht den Feststellungen des Gerichts zufolge, weil Gabriel sich mit Vertretern der antragstellenden Unternehmen getroffen hat, ohne dies zunächst gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten offenzulegen und ohne Niederschriften über Inhalt und Verlauf dieser Gespräche anfertigen zu lassen.

Über die Frage, ob der Minister bei der Entscheidungsfindung befangen gewesen sein könnte, ist ein anderes – wichtigeres – Thema in den Hintergrund geraten: Hatte Gabriel in der Sache gute Gründe für die Erteilung der Erlaubnis? Das Oberlandesgericht befasst sich in seiner vorläufigen Entscheidung auch mit dieser Frage – und kommt auch hier zu einem für den Minister negativen Ergebnis. Wie zuvor die Monopolkommission hält es das Gericht für nicht erwiesen, dass der Zusammenschluss Gemeinwohlvorteile mit sich bringt, die den Wettbewerbsschaden kompensieren. Dies ist die entscheidende Frage: Fehlt es an einer Gemeinwohlrechtfertigung für den wettbewerbsschädlichen Zusammenschluss, so kann die Erlaubnis keinen Bestand haben. Sie dürfte auch in einem neuerlichen Verfahren – diesmal ohne Verhaltensweisen, die Zweifel an der Unparteilichkeit des Ministers wecken – nicht erteilt werden.

Das Oberlandesgericht hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass nicht schon der Erhalt ganz bestimmter Arbeitsplätze einen Vorteil für das Gemeinwohl bedeutet. Denn ein Zusammenschluss, der bestehende Arbeitsplätze am einen Ort sichert, kann an anderer Stelle zum Entfallen von Beschäftigungsverhältnissen führen. Eine den Wettbewerb schädigende Fusion könnte unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigungssicherung zwar dann gerechtfertigt erscheinen, wenn sie per saldo zu mehr Beschäftigung führte. Von einer solchen günstigen Wirkung auf die Beschäftigung ist aber bei dem hier zu beurteilenden Zusammenschluss nicht auszugehen. Edekas eigenes Filialnetz hat mehr Überschneidungen mit dem von Kaiser`s Tengelmann als das irgendeines anderen potenziellen Erwerbers. Da der Zusammenschluss an besonders vielen Standorten dazu führt, dass bisher unabhängig geführte Filialen in ein und dieselbe Hand gelangen, bestehen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Wettbewerbs auf den Lebensmittel-Einzelhandelsmärkten besonders große Bedenken gegenüber diesem Zusammenschluss. Vielmehr lässt die Übernahme gerade durch Edeka besonders große wirtschaftliche Anreize zur Schließung von Filialen entstehen. Denn ein Handelsunternehmen, das nach einer Fusion an vielen Standorten mehrere Ladengeschäfte besitzt, hat Anlass, durch Schließung von Filialen Doppelstrukturen zu beseitigen und Kosten zu reduzieren.

Die von Gabriel gestellten Bedingungen stehen zwar für die Dauer von fünf Jahren einer Schließung der übernommenen Kaiser`s-Tengelmann-Filialen entgegen. Dagegen verbieten die Bedingungen des Ministers nicht, dass Edeka die durch die Fusion entstehenden Doppelstrukturen durch Aufgabe eigener Edeka-Altfilialen auflöst. Während also Kaiser`s-Tengelmann-Arbeitsplätze zunächst gesichert werden, geraten Edeka-Arbeitsplätze in Gefahr. Vor allem aber wirken die vom Minister auferlegten Beschäftigungssicherungen nur während einer Übergangszeit. Läuft diese Zeit der Beschäftigungssicherung ab, können die von der Fusion ausgehenden wirtschaftlichen Anreize zur Schließung von Filialen ungehindert zum Tragen kommen.

Summa summarum: Es ist ein und derselbe Grund, der gegenüber dem zu beurteilenden Zusammenschluss nicht nur wettbewerbliche Bedenken weckt, sondern auch hinsichtlich der langfristigen Beschäftigungswirkungen Anlass zu einer negativen Prognose gibt: Der Minister lässt Kaiser`s Tengelmann ausgerechnet mit der Kette fusionieren, mit der die größten Überschneidungen im Filialnetz bestehen. Besser wäre es sowohl unter Wettbewerbs- wie auch unter Beschäftigungsaspekten, wenn die Kaiser`s-Tengelmann-Filialen nicht en bloc von einem anderen Handelsunternehmen erworben würden, sondern – regional differenziert – jeweils an einen Erwerber gingen, der in dem betreffenden Gebiet bisher keine starke Marktstellung erlangt hat. Für viele Kaiser`s-Tengelmann-Filialen gibt es, wie während des Verfahrens deutlich geworden ist, derartige Interessenten.

Prof. Dr. Daniel Zimmer ist Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn.

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