Die Chancen von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, Nachfolger von Mario Draghi zu werden, sind gestiegen. Doch welchen Preis hat diese wichtige Personalie für Deutschland?

Die Proporz-Arithmetik in der Personalpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist mindestens so komplex, wie die Ministerauswahl für die Kabinettsposten einer Partei in der Bundesregierung. Am vergangenen Montag bestimmten die Finanzminister der Euroländer mit dem spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos einen neuen Vizepräsidenten für die EZB. Weil Irland seinen eigenen Kandidaten zuvor zurückgezogen hatte, residiert damit ein Südeuropäer künftig als EZB-Vize. Da Ende letzten Jahres mit Mario Centeno zudem ein Portugiese zum Chef der Euro-Gruppe gewählt wurde, sind die Südeuropäer mit aktiver Unterstützung der Bundesregierung bestens bedient.

Deshalb sind die Chancen von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, Ende 2019 in die Frankfurter EZB-Zentrale als Nachfolger Mario Draghis einzuziehen, gestiegen. Denn dass die Führungsposition jetzt an einen Nordeuropäer zu fallen hat, gilt nach der „Südländer“-Lösung beim Vizepräsidenten als ausgemacht. Doch gegen Weidmann gibt es deutliche Vorbehalte bei den südeuropäischen Euroländern. Ob diese deutsche Personalie auf französischer Seite ungeteilte Zustimmung findet, bleibt abzuwarten. Denn Weidmann gilt als geldpolitischer Falke, der lieber heute als morgen den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik der Notenbank beginnen würde. Er stimmte als deutscher Vertreter im EZB-Direktorium vor Jahren als einer der wenigen nicht für die Staatsanleihenkäufe der EZB, die Mario Draghi vorantrieb. Weidmann stuft dieses Projekt als unzulässige Staatsfinanzierung durch die Notenbank ein.

In dieser Frage ist derzeit ein Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts beim Europäischen Gerichtshof anhängig, weil die deutschen Verfassungsrichter in dieser Frage ähnlich wie Weidmann argumentieren. Der Bundesbankpräsident pocht immer wieder und vollkommen zu Recht darauf, dass die Währungsunion nur dann krisenfest wird, „wenn Handeln und Haften ins Gleichgewicht kommen“. Er erinnert häufig an die gebrochene „No-Bail-Out-Regel“ des Maastricht-Vertrags, mit der die ursprüngliche Haftungsregel für das maßlose Schuldenmachen eines Euro-Staats ausgehebelt wurde.

Ich bin mir sicher, dass Deutschland einen hohen politischen Preis zahlen muss, um Weidmann letztlich für die EZB-Führung durchzusetzen. Da der Koalitionsvertrag der kleinen Großen Koalition in vorauseilendem Gehorsam schon bereitwillig mehr Geld für die EU verspricht und der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger ins gleiche Horn stößt, darf man Wetten darauf abschließen, dass höhere Transfers nach Brüssel zur Mitgift für Jens Weidmann zählen werden. Auch der deutsche Widerstand gegen die höchstumstrittene europäische Einlagensicherung für Banken, gegen die sich die Volksbanken und Sparkassen im Interesse ihrer Kunden massiv zu Wehr setzen, könnte möglichweise für die Personalie Weidmann geopfert werden.

Ob dieser Preis nicht zu hoch ist für eine formale deutsche Führungsposition, die im EZB-Rat über keine strukturelle Mehrheit für eine solide Geldpolitik verfügt?

Oswald Metzger ist stellvertretender Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Sein Beitrag erschien zuerst im Konstanzer Südkurier vom 23. Februar 2018.

DRUCKEN
DRUCKEN