Oswald Metzger, stellvertretender Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, kritisiert die lockere Geldpolitik der Notenbanken. In seinem Beitrag erinnert er an Ludwig Erhards Botschaft: Verteilt werden kann nur, was vorher erwirtschaftet wurde!

Ich zähle mich nicht zum Freundeskreis von Mario Draghi. Der Italiener an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) ist mit seiner ultralockeren Geldpolitik viel zu stark der Denke der Wallstreet-Großbanken verhaftet. Wenn die realwirtschaftlichen Fundamentaldaten keine Börsenstorys generieren, dann muss es die Fed, die Bank of Japan oder eben die EZB richten. Die Notenbanken stimulieren Kursrallyes an den Weltbörsen, nicht mehr die realen Marktdaten.

In einem Punkt allerdings hat Mario Draghi recht. Vor der Frankfurter Presse wies er kürzlich darauf hin, dass negative Realzinsen für die deutschen Sparer kein neues Phänomen sind. Das belegen auch die Zahlenreihen der Deutschen Bundesbank. In den 1970er Jahren, Anfang der 1990er Jahre sowie in den ersten Jahren des vergangenen Jahrzehnts erhielten Sparer für ihre Einlagen keine inflationsausgleichende Verzinsung. In einer Zeitreihe, die von 1967 bis 2014 reicht, resümiert die Bundesbank am 27. Juni 2014: „Diese Phasen realer negativer Verzinsung überwogen historisch sogar. So lag die mittlere reale Verzinsung über den gesamten Zeitraum (auch ohne Finanzkrise) sowohl bei Spareinlagen als auch bei jederzeit verfügbaren Einlagen (sogenannten Sichteinlagen) im negativen Bereich.“

Für mich liegt das Fundamentalproblem der globalen ultralockeren Notenbankpolitik in einer unheiligen Allianz mit der Politik. Weil sich Politiker in den saturierten Volkswirtschaften kaum mehr trauen, der eigenen Bevölkerung die Wahrheit über unsere kreditfinanzierte Wohlstandsblase zu vermitteln, spielen alle auf der Klaviatur des Pumpkapitalismus weiter. Die Notenbanken haben sich in ihrer Rolle als „lender of last resort“ eingerichtet. Statt Exit-Strategien aus der expansiven Geldpolitik zu entwickeln, werden weiter munter Anleihenkaufprogramme ausgeweitet und Negativzinsen propagiert. Ob sich die US-Notenbank im kommenden Monat wohl traut, die Leitzinsen in einem zweiten Trippelschritt leicht zu erhöhen?

Die Botschaft der Geldpolitik: Konsum statt Vorsorge

Die Politik hat die Verantwortung längst an die wunderbare Geldschöpfung der Notenbanken delegiert. Warum soll man dem eigenen Wahlvolk auch Anstrengungen zumuten, wenn die Gelddruckmaschinen rotieren? In den allermeisten Ländern der Welt steigt die öffentliche Verschuldung weiter. Auch die private Verschuldung hat atemberaubende Ausmaße angenommen. Dabei müssten gerade die reichen Industrieländer und ihre immer älter werdenden Bürger sparen, damit sie die säkulare demografische Veränderung ohne zu große Wohlstandseinbußen bewältigen können.

Und da will uns die Geldpolitik mit der Botschaft auf den Konsumtrip schicken: Gebt euer Geld lieber heute als morgen aus. Sparen ist Gift für die Konjunktur! Für die großen Lebensrisiken Krankheit und Alter zu sparen, werden wir euch schon verleiden. Vorsorge war gestern, heute ist „Shoppen auf Teufel komm raus“ angesagt. Lebens- und Krankenversicherungen, bei denen wir Bürger diese Risiken versichert haben, erzielen kaum mehr Erträge. Das Sparen für die Rente wird buchstäblich desavouiert. Selbst der Hinweis auf die höheren Renditen an den Aktienmärkten der Welt ist hinterhältig, wenn die Hausse an den Börsen weniger auf den Fundamentaldaten der Unternehmen als vielmehr auf den scheinbar nie versiegenden Liquiditätsspritzen der Notenbanken beruht.

Man möchte Mario Draghi und seinen Notenbank-Kollegen Ludwig Erhards einfache Botschaft zurufen: Verteilt werden kann nur, was vorher erwirtschaftet wurde! In meiner Diktion: Eure Geldschöpfung schafft keinen Mehrwert. Sie verhindert dringend notwendige Anpassungsmaßnahmen im Bankensystem und in den Volkswirtschaften. Sie lähmt Politik und Wirtschaft. Sie wirkt wie eine Droge für die Finanzmärkte. Sucht eine Exit-Strategie aus diesem fatalen Irrweg. Ihr habt euer Pulver verschossen!

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„Gefährliche Geldpolitik“ von Klaus Bünger

„Die enthemmte Zentralbank“ von Hans-Werner Sinn

„EZB: Dem Geld-Diktator entgegentreten“ von Roland Tichy

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