Von Dr. Herbert B. Schmidt
Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung

Schon Anfang 1990 war ich in die noch real existierende DDR gegangen, hatte die Wirtschaftsvereinigung Sachsen der CDU aufgebaut und wurde auch als Ressortleiter Wirtschaft des Bezirks Dresden verwaltungsmäßig in den Apparat der DDR eingebunden. Weil ich also etwas über den inneren Zustand der Wirtschaft der DDR wusste, wohl etwas mehr als aus dem Gesamtdeutschen Ministerium unter der damaligen Ministerin Frau Wilms zu erfahren war, rief mich Herr Tietmeyer zu einem Gespräch in die Bonner Dependance der Bundesbank, er war gerade nach Herrn Ludewig der leitende Unterhändler der Vereinigungsgespräche für Bundeskanzler Helmut Kohl geworden.

Zusammen brüteten wir über der ihm vorgelegten letzten Bilanz der DDR-Staatsbank. Das Vierergespräch mit Herrn Ludewig und ihm auf der einen und Günther Krause und Klaus Reichenbach auf der anderen Seite am Ostermontag in Berlin war ergebnislos verlaufen – zu sehr lagen die Vorstellungen über den angemessenen Wechselkurs auseinander. Aber die Vorwürfe, die Helmut Schmidt in seinem offenen Brief vom November 1996 gegen Hans Tietmeyer zum Thema Wiedervereinigung erhob, waren eines früheren Bundeskanzlers nicht würdig. Keiner wie er kannte den Primat der Politik, auch der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl musste sich beugen.

Prof. Dr. Günther Krause, Bundesverkehrsminister a.D., am 29. Dezember 2016:
„Herr Dr. Tietmeyer war Verhandlungsführer für den Vertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen BRD und der DDR. In wenigen Wochen wurde nicht nur die Einführung der D-Mark in die DDR verhandelt, sondern der Beginn der Marktwirtschaft in Verbindung mit einem Sozialsystem. Herr Dr. Tietmeyer hat sich ausgezeichnet durch konsequentes marktwirtschaftliches Denken und Handeln, aber auch durch kluge Ideen zur Geldwertstabilität. Er legte mit den Grundstein zur Deutschen Einheit.“

Ein weiteres Erlebnis: Aus Estland erbat ich 1992 von Hans Tietmeyer Unterstützung für die gerade gegründete Estnische Zentralbank (als Currency Board konstruiert), so wie die Bundesbank schon vorher der ebenfalls neugegründeten lettischen Zentralbank dies gewährt hatte.

Ein weiteres Erlebnis mit Hans Tietmeyer war seine bewegende Rede über Ludwig Erhard und seine Kanzlerzeit anlässlich der Übergabe meiner Ludwig-Erhard-Büste an das Bundeswirtschaftsministerium 2007, zu welcher der damalige Bundeswirtschaftsminister Michael Glos auch alle früheren Bundeswirtschaftsminister und Herrn Tietmeyer gebeten hatte.

Schließlich wurden wir Nachbarn, wir waren beide Zweitwohnsitzler in Marquartstein in Oberbayern und hatten viele Gespräche. In unser Gästebuch trugen er und seine Frau Maria-Therese sich 1989 mit den Worten ein: „Die Neu-Marquartsteiner danken den Alt-Eingesessenen für einen schönen Nachmittag.“

Hans Tietmeyer war Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Am 27. Dezember 2016 ist er im Alter von 85 Jahren verstorben.

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