„Die machen eh, was sie wollen“ – diesen Satz vernimmt der CDU-Politiker Carsten Linnemann sicher oft, gesprochen oder nur im Stillen gedacht, wenn er in seinem Wahlkreis auf „Hausbesuch“ ist. Eine gefährliche Entfremdung zwischen Politik und Bürgern kommt da zum Ausdruck. Linnemann hat den Ausspruch daher zum Titel eines Buches gemacht, in dem er von seinen Gesprächen mit Bürgern berichtet sowie deren Sorgen und ungehörte Einwände wiedergibt, einordnet und reflektiert. „Wut, Frust, Unbehagen“ heißt es im Untertitel.

Carsten Linnemann ist 39 Jahre alt, promovierter Volkswirt und CDU-Abgeordneter mit Direktmandat im Wahlkreis Paderborn. Er ist Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung und trägt etwas in sich, was vielen seiner Kollegen im Bundestag – jedenfalls soweit erkennbar – fehlt: einen ordnungspolitischen Kompass, wie er sich in den von Walter Eucken Mitte des letzten Jahrhunderts formulierten „konstituierenden Prinzipien einer Wettbewerbsordnung“ manifestiert. Sie sind das Maß, an dem sich jede politische Maßnahme messen lassen muss, wenn sie in die Soziale Marktwirtschaft passen soll, so wie Ludwig Erhard sie gedacht und gestaltet hat.

Durchbrechung ordnungspolitischer Prinzipien

Linnemann macht deutlich, wie zeitlos relevant Euckens Gedanken sind, wenn er beispielsweise die Energiewende als ein „im Grundsatz planwirtschaftliches Instrument“ benennt, das dem Prinzip freier Preise, die Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringen, zuwiderläuft. Die Anbieter von Strom aus erneuerbaren Energien werden aus der unternehmerischen Verantwortung entlassen, weil der Staat einen Preis garantiert – „selbst dann, wenn Strom nicht abgenommen wird, weil Leitungen fehlen oder schlicht kein Bedarf existiert“. Die Zeche zahlen die Bürger durch überhöhte Strompreise.

Am Beispiel des Euro-Rettungsschirms prangert er die Durchbrechung eines weiteren Prinzips nach Eucken an, nämlich das Auseinanderfallen von Entscheidung und Haftung. Dabei sind seine Aussagen für manchen sicher unbequem, wenn er gestützt auf Argumente und historische Erfahrungen den Standpunkt vertritt, die Europäische Währungsunion habe in ihrer jetzigen Konstruktion – ohne Zentralregierung samt der nötigen Durchgriffsrechte – keine Zukunft.

Auch beim Thema Migrationspolitik lässt Linnemann es nicht an Entschiedenheit mangeln. Er fordert Kontrollen und Steuerung bereits an den EU-Außengrenzen. Weltweit unmissverständlich müsse das Signal gesendet werden, dass nur diejenigen ein Bleiberecht haben, die erwiesenermaßen schutzbedürftig sind. Und das heißt bei Linnemann im Klartext: „Wer illegal die Grenzen der EU überschreitet, macht sich strafbar.“ Da allerdings die Sicherung der EU-Außengrenzen nicht funktioniere, „müssen wir Melde- und Transitzonen an unseren nationalen Grenzen vorhalten“, schreibt er.

„Politik muss besser werden“

Was Carsten Linnemann zu Papier gebracht hat, ist anschaulich, gut lesbar und authentisch. Er ist seit Jahren an verantwortlicher Stelle im Politikbetrieb dabei und weiß, wovon er spricht. „Politik muss besser werden“, heißt es fordernd auf dem Cover seines Buches. Linnemann lässt keinen Zweifel daran, dass diese Verbesserung eine notwendige Bedingung ist, um das Vertrauen der Bürger in die Politik und die parlamentarische Demokratie zurückzugewinnen. Man kann dem Autor und Politiker nur viel Courage wünschen beim Standhaftbleiben in unserem oft von Opportunismus geprägten politischen System.

Carsten Linnemann, „Die machen eh, was sie wollen“. Wut, Frust, Unbehagen. Politik muss besser werden, Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 2017, 166 Seiten.

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