Das böse Wort der Privatisierung macht wieder die Runde in Regierungskreisen und Medien. Derzeit geht es um eine mögliche Beteiligung privater Investoren an der neu zu gründenden GmbH, die künftig für die Planung und den Bau der Bundesautobahnen zuständig sein soll.

Die Pläne stammen aus der Grundsatzabteilung des Bundesfinanzministeriums und stoßen bei Sozialdemokraten, Opposition und Bürgern auf massiven Widerstand. Da noch keine konkreten Informationen zum Vorhaben veröffentlicht wurden, gründet sich das Meinungsbild Letzterer wohl eher auf die Berichterstattung darüber als auf Fakten. Insgesamt ist bisher weitgehend unklar, was die genaue Aufgabe der neu zu gründenden Infrastrukturgesellschaft überhaupt sein soll. – Willkommen im postfaktischen Zeitalter!

Einerseits versuchen Teile der Bundesregierung mit der Privatisierung das Versagen der Geldpolitik zu kompensieren, denn die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank führt wegen der hohen, systemimmanenten Unsicherheiten nicht zum gewünschten Investitionsschub und verursacht gleichzeitig eine sich weiter verschärfende Existenzkrise bei Banken und Versicherungen.

Andererseits führt eine Beteiligung von privatem Kapital zu einem Auseinanderdriften von Rendite, Risiko und Haftung. Denn während insbesondere Unternehmen der Banken- und Versicherungsbranche durch Basel III und Solvency II strikten Risikobeschränkungen unterworfen sind, liegt das Renditeziel der größten Wettbewerber deutlich über dem Marktniveau, um innerhalb der bestehenden Geschäftsmodelle und im globalen Wettbewerb langfristig überlebensfähig zu sein. Folglich läge die Risikoprämie, die der Staat an die privaten Anteilseigner einer Bundesfernstraße GmbH ausschütten müsste, deutlich über den Kosten einer Kapitalmarktfinanzierung und wäre damit unwirtschaftlich.

Absurd wäre die Ausstattung der GmbH mit einer Kreditermächtigung

So weit, so richtig, doch bezieht sich diese Betrachtung nur auf die Finanzierungsseite und lässt komparative Vorteile der privatwirtschaftlichen Organisation unberücksichtigt. Die Erfahrungen beim Autobahnbau in Deutschland zeigen, dass die öffentliche Hand zwar Projekte günstiger umsetzt als vergleichbare private Marktteilnehmer, dafür aber deutlich länger benötigt und deutlich mehr Personal im Einsatz hat. Stellt man also den volkswirtschaftlichen Nutzen den Kosten gegenüber, ergibt sich eine ganz andere Abwägung bei der Finanzierung und Umsetzung von Baumaßnahmen auf Bundesfernstraßen. Dauerbaustellen oder eine gesperrte Brücke auf der Autobahn führen zu erheblichen externen Kosten, die sich im Haushaltsplan aber nicht widerspiegeln. Daher interessiert sich die Politik in erster Linie für die Kosten des Bundesfernstraßenbaus und erst nachrangig für den Nutzen oder eine volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung.

Absurd wird die Diskussion jedoch dann, wenn von den Kritikern einer privaten Beteiligung an der Bundesfernstraßenfinanzierung gefordert wird, dass die neu zu gründende GmbH mit einer Kreditermächtigung ausgestattet werden soll, um Autobahnen im Zweifel auch über neue Schulden finanzieren zu können. Einmal davon abgesehen, dass dies einen klaren Umgehungstatbestand der Schuldenbremse darstellen würde, profitieren von neuen Schulden in erster Linie private Investoren. Wirft man einen Blick in die Statistik der Deutschen Finanzagentur, handelt es sich bei den deutschen Gläubigern in der Mehrheit um große ausländische Kapitalgesellschaften, also die von den entsprechenden politischen Lagern gern gescholtenen Heuschrecken.

Die Kreditfinanzierung eines solchen Schattenhaushalts hätte auch andere Kreditkonditionen als der Bund oder die Länder, denn die Risikoprämien würden sich an den Projektrisiken orientieren und nicht an der Kreditwürdigkeit des Eigentümers. Das ließe sich nur vermeiden, wenn der Bund eine unbegrenzte Nachschusspflicht für die Infrastrukturgesellschaft vereinbaren würde und damit ähnliche Fehlanreize wie in der Schuldenkrise setzte, nur dieses Mal im eigenen Land.

Legitim wäre eine nutzungsabhängige Finanzierung

Deutlich marktwirtschaftlicher orientiert sind im Vergleich Betreiberlösungen, wie sie in Portugal oder Frankreich praktiziert werden, denn bei der Nutzerfinanzierung stellt sich, zumindest in der Theorie, ein objektiver Marktpreis ein. Voraussetzungen dafür sind allerdings eine funktionierende Wettbewerbsaufsicht und die dauerhafte Vermeidung von Monopolen. In diesen Modellen liegen die Risiken des Baus und der Nachfrage, die Haftung für den dauerhaften Betrieb und die Rendite durch den wettbewerblichen Marktpreis beim privaten Investor. Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit der Politik bestehen, einen Ordnungsrahmen zu definieren, der die externen Kosten der individuellen Mobilität gezielt internalisiert.

Die volkswirtschaftlichen Kosten werden heute über eine komplizierte und ineffiziente Energiesteuergesetzgebung und andere Steuerarten kompensiert, denen zu eigen ist, dass ihnen kein gesetzlicher Gegenleistungsanspruch gegenübersteht. Ein Beispiel hierfür ist die stufenweise Einführung der Ökosteuer im Jahr 1999, die aber mit Umweltschutz nichts zu tun hat, weil deren Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zugutekommen.

Grundsätzlich ist eine nutzungsabhängige Finanzierung ein legitimer Weg zur Refinanzierung von Verkehrsinfrastruktur, denn im Gegensatz zu anderen Netzen, wie dem Telefon- , dem Strom- oder dem Wassernetz, nutzen Straßen keineswegs allen Bürgern, geschweige denn Steuerzahlern. Und selbst dort fallen Gebühren zur Nutzung und keine Steuern an. Bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur über die Mineralölsteuer handelt es sich vielmehr um eine Subventionierung des ländlichen Raums oder strukturschwacher Regionen und ganz nebenbei bemerkt um eine hervorragende Einnahmequelle für den Bundesfinanzminister. 36,2 Milliarden Euro Einnahmen stehen 2016 gerade mal knapp 8 Milliarden Euro Ausgaben und 6,6 Milliarden Euro Nettoinvestitionen gegenüber.

Um die Belastung der individuellen Mobilität nicht noch weiter zu erhöhen, wäre eine Abschaffung anderer Steuerbelastungen, wie etwa der bürokratischen Kfz-Steuer, geboten. Komplizierte Verrechnungsregeln, wie bei der geplanten Pkw-Maut, sind dagegen eine Nebelkerze und können bei erhöhtem Finanzierungsbedarf einfach reduziert oder ganz abgeschafft werden. Kein Wunder also, dass in den Reihen der Bundesregierung und deren Vorgängern kein großes Interesse an einer marktkonformeren Lösung der Infrastrukturfinanzierung besteht.

Ein Lösungsvorschlag: die direkte Beteiligung der Bürger als Anteilseigner

Eine bessere Lösung wäre die direkte Beteiligung der Bürger an der Straßeninfrastruktur und zwar nicht, wie bisher, als passiver Konsument und Finanzier, sondern als aktiver Anteilseigner mit Stimmrecht. Schließlich sind es auch die Bürger, die heute schon das Risiko einer verfehlten Infrastrukturpolitik tragen müssen und gleichzeitig unter den niedrigen Zinsen leiden. Wie die Postbank ermittelt hat, sind den deutschen Sparern seit dem Ausbruch der Krise 125 Milliarden Euro an Zinserträgen und Versicherungsrenditen entgangen, während schuldenfinanzierte Konsumausgaben belohnt werden. Andere Untersuchungen kommen auf deutlich höhere Einkommensverluste.

Warum also nicht eine Verkehrsinfrastruktur GmbH gründen, an denen sich Bürger, analog zu den früheren Bundesschatzbriefen, direkt beteiligen können und dafür eine Dividende erhalten? Das würde die Akzeptanz aufseiten der Bürger erhöhen und eine neue Infrastrukturgesellschaft zur notwendigen Transparenz zwingen. Schließlich soll diese für den Bau, die Planung und den Betrieb von rund 12.900 Autobahnkilometern und mehreren Tausend Kilometern Bundesstraßen verantwortlich sein, was einem geschätzten gesellschaftlichen Vermögen von 180 Milliarden Euro entspricht. Die Gesellschaft läge damit im DAX mit großem Abstand an erster Stelle, wäre sie dort gelistet.

Das erfordert eine entsprechende Kontrolle durch die Politik, die diese schon bei der Deutschen Bahn aus der Hand gegeben hat, was dort zu einem Schuldenberg von bisher 17,5 Milliarden Euro, verspäteten Bauprojekten und Zugbeschaffungen sowie zu unzufriedenen Bahnkunden geführt hat. Weder die ehemaligen Staatskonzerne Deutsche Post noch die Deutsche Telekom, die zu großen Teilen privatisiert wurden, weisen vergleichbare strukturelle Schwächen auf. Diese darf es auch bei den Bundesfernstraßen nicht geben, weshalb eine unmittelbare Einbindung der Bürger den Druck, ein verantwortungsvolles Controlling zu installieren, deutlich erhöhen würde.

Außerdem sollten zukünftige Konzessionen so gestaltet werden, dass auch der Mittelstand von einer Beteiligung am Autobahnbau profitiert, was wiederum voraussetzt, dass auf der Seite dieser Unternehmen auch die Bereitschaft entsteht, das Risiko für einzelne Projekte allein zu tragen, ohne auf den Steuerzahler zu verweisen, wenn der Schadenfall eintritt. So würde dem Votum der Bürger, dass es sich bei den Bundesfernstraßen um eine politische Aufgabe handelt, entsprochen, und die geplante Verkehrsinfrastrukturgesellschaft wäre nicht nur eine neue Organisationsform alter Strukturen, sondern sie würde zu einem Integral für die Mitte der Gesellschaft.

Autor des Beitrags ist Daniel Junker vom Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (Leiter „Recherche und Digitalisierung“ und Redakteur „Der Steuerzahler“).

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